Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

Geschichtliche Einleitung. 5 
gierungen angenommen sei (St. B. des Reichstags 731), und alsdann wurde 
der sogen. „konstituierende“ Reichstag geschlossen. (Der Reichstag besaß 
tatsächlich nur die Vollmacht, die Verfassung zu beraten, und die Be- 
zeichnung „konstituierender“ Reichstag ist also staatsrechtlich ungenau; sie 
bringt eine Funktion zum Ausdruck, über die der Reichstag nicht verfügte, 
aber da die Bezeichnung üblich ist, soll sie auch hier und später angewendet 
werden.) 
Die so vereinbarte Verfassung wurde darauf von den Regierungen ihren 
Landtagen vorgelegt und in Preußen und den anderen Staaten durch ein 
Landesgesetz besonders angenommen und eingeführt, das nach Maßgabe der 
für Verfafsungsänderungen bestehenden Vorschriften erlassen wurde. 
Das in Preußen am 24. Juni 1867 (Ges.S. S. 817) für die Ein- 
führung der Verfassung bestimmte Publikationspatent lautet: 
„Wir, Wilhelm usw., tun kund und fügen hiermit zu wissen: 
Nachdem die Verfassung des Norddeutschen Bundes von den verbündeten 
Fürsten und Freien Städten mit dem Reichstag vereinbart worden ist, und 
die Zustimmung beider Häuser des Landtags der Monarchie erhalten hat, 
verkünden Wir nachstehend die gedachte Verfassung und bestimmen zu- 
gleich, daß dieselbe im ganzen Umfange der Monarchie einschließlich des 
Jadegebiets und der durch die Gesetze v. 20. Sept. und 24. Dez. 1866 
mit derselben vereinigten Landesteile am 1. Juli dieses Jahres in Kraft 
treten soll.“ 
Es wurde also durch ein preußisches Landesgesetz bestimmt, daß vom 
1. Juli 1867 ab die Verfassung des Norddeutschen Bundes in Preußen in 
Kraft treten sollte, und nachdem entsprechende Bestimmungen in den anderen 
Staaten des Norddeutschen Bundes erlassen waren, wurde am 26. Juli 1867 
im Bundesgesetzblatt (Nr. 1 S. 1 ff.) unter Abdruck der Verfassungsurkunde 
bekannt gemacht, daß die Bundesverfassung von dem König von Preußen 
und den sämtlichen übrigen Fürsten der verbündeten Staaten, bez. von den 
Senaten der Freien Städte mit dem zu diesem Zwecke berufenen Reichstage 
vereinbart, unter dem 25. Juni 1867 verkündigt und am 1. Juli 1867 
in Kraft getreten sei. Zugleich erklärte der König von Preußen am Schlusse 
des Publikandums v. 26. Juli 1867, daß er die ihm durch die Verfassung 
des Norddeutschen Bundes übertragenen Rechte, Befugnisse und Pflichten 
für sich und seine Nachfolger in der Krone Preußen übernehme. 
Der Krieg von 1870/71 verband auch die Süddeutschen Staaten mit 
dem Norddeutschen Bunde, vereinigte also ganz Deutschland und schuf das 
neue Deutsche Reich. Vorbereitet war diese Entwicklung bereits durch militä- 
rische Schutz= und Trutzbündnisse, die seit den Friedensverträgen von 1866 
und 1867 zwischen Preußen und den Süddeutschen Staaten geschlossen 
worden waren. Dazu kam die wirtschaftliche Verbindung, die durch den 
Zollverein mit organischen Einrichtungen (Zoll-Bundesrat und Zoll-Parla- 
ment) für Nord= und Süddeutschland geschaffen wurde. 
Ebenso wie die gegenseitige Verbindung der Norddeutschen Staaten ist 
die der Süddeutschen Staaten mit dem Norddeutschen Bund auf den freien 
Willensentschluß aller beteiligten Regierungen zurückzuführen. Besonders 
klar wird diese Tatsache durch das Referat beleuchtet, das der Präsident des 
Bundeskanzleramts Delbrück über die historischen Vorgänge bei der Einigung 
zwischen der Regierung des Norddeutschen Bundes und den Regierungen der
	        
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