Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

140 II. Reichsgesetzgebung. Art. 4. 
Verficherungsamtes herbeizuführen, ferner die Leistungsfähigkeit der Kranken- 
kassen durch Verteilung des Rifikos auf umfangreichere Verbände zu erhöhen; 
vgl. Erklärung des damaligen Staatssekretärs des Innern von Bethmann 
Hollweg in der Reichstagssitzung v. 2. Dez. 1907 St. B. 1958 B. Außerdem 
ist in Vorbereitung eine Versicherung der Privatangestellten gegen Alter und 
Invalidität, ferner die Einrichtung der Witwen- und Waisenversorgung auf 
Grund der Mehreinnahmen gewisser Zollerträge gemäß § 15 des Zolltarif- 
gesetzes v. 25. Dez. 1902 K.G. Bl. S. 303. 
Außer der Arbeiterversicherung ist von den in das Gebiet des „Ver- 
sicherungswesens“ fallenden Reichsgesetzen noch hervorzuheben das den 
materiellen Inhalt der Versicherungsgeschäfte regelnde Gesetz v. 30. Mai 
1908 R.G. Bl. S. 263 und das Gesetz über die privaten Versicherungs- 
unternehmungen v. 12. Mai 1901 R. G. Bl. S. 139. Nach letzterem Gesetz 
unterliegen Privatunternehmungen, die den Betrieb von Versicherungs- 
geschäften zum Gegenstande haben, mit wenigen Ausnahmen der Beauf- 
sichtigung. Wenn der Geschäftsbetrieb der Unternehmung auf das Gebiet 
eines Bundesstaats beschränkt ist, wird die Aufsicht in der Regel durch Landes- 
behörden, andernfalls durch eine Reichsbehörde, das Kaiserliche Aufsichtsamt 
für Privatversicherung ausgeübt, dessen Entscheidungen grundsätzlich endgültig 
find. Die Versicherungsunternehmungen bedürfen zum Geschäftsbetriebe der 
Erlaubnis der Aufsichtsbehörde, die von dem Nachweis eines Bedürfnisses 
nicht abhängig gemacht und nur versagt werden darf, wenn der Geschäfts- 
plan gesetzlichen Vorschriften zuwiderläuft oder nach dem Geschäftsplan die 
Interessen der Versicherten nicht hinreichend gewahrt sind oder die dauernde 
Erfüllbarkeit der aus den Versicherungen sich ergebenden Verpflichtungen 
nicht genügend dargetan ist oder Tatsachen vorliegen, welche die Annahme 
rechtfertigen, daß ein den Gesetzen oder guten Sitten entsprechender Geschäfts- 
betrieb nicht stattfinden wird. Der Auffichtsbehörde liegt es ob, den ganzen 
Geschäftsbetrieb der Versicherungsunteruehmungen, insbesondere die Befolgung 
der gesetzlichen Vorschriften und die Einhaltung des Geschäftsplans zu über- 
wachen. Zu diesem Zwecke hat sie weitgehende Befugnisse zu Zwangs- 
maßregeln. Ausländische Versicherungsunternehmungen find noch schärferen 
Eingriffen unterworfen. Das Gesetz verfolgt die Tendenz, das Publikum gegen 
Benachteiligung durch unbillige oder unverständliche Versicherungsbedingungen 
und eine leichtsinnige oder unredliche Geschäftsführung der Versicherungs- 
unternehmungen zu schützen. 
Nach Ziff. IV des Versailler Schlußprotokolls v. 23. Nov. 1870 B. G. 
Bl. S. 23 wurde „als vertragsmäßige Bestimmung in Anbetracht der in 
Bayern bestehenden besonderen Verhältnisse bezüglich des Immobiliar- 
Versicherungswesens und deren engen Zusammenhanges mit dem Hypo- 
thekar-Kreditwesen“ festgestellt, daß, wenn sich die Gesetzgebung des Bundes 
mit dem Immobiliar-Versicherungswesen befassen sollte, die vom Bunde 
zu erlassenden gesetzlichen Bestimmungen in Bayern nur mit Zustimmung 
der Bayrischen Regierung Geltung erlangen können. Demgemäß bestimmt 
§ 125 Abs. 4 des Gesetzes über die privaten Versicherungsunternehmungen, 
daß das Gesetz, soweit es sich um das Immobiliar-Versicherungswesen 
handelt, in Bayern nur mit Zustimmung der Bayrischen Regierung in 
Kraft tritt. Eine entsprechende Vorschrift enthält Art. 2 des Einf.-Ges. zu 
dem Gesetz über den Versicherungsvertrag v. 30. Mai 1908 R.G.Bl. S. 305. 
 
	        
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