Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

146 II. Reichsgesetzgebung. Art. 4. 
unrichtig, weil die Steuer, wenngleich sie für die Beteiligten wirtschaftlich 
wie ein Zuschlag zur Einkommensteuer wirkt, in anderen Formen erhoben 
wird, nämlich nicht von den Personen, welche die Tantieme erhalten, sondern 
von den Gesellschaften, welche die Tantieme zahlen, und diesen Gesellschaften 
gegenüber wirkt fie wie eine Stempelabgabe, die auf gewisse Rechtsakte gelegt 
ist, nicht anders wie der Stempel, der für Kauf-, Miet= oder sonstige Rechts- 
geschäfte zu zahlen ist; vgl. die Erklärung des Staatssekretärs des Reichs- 
schatzamts Freih. v. Stengel in der Reichstagssitzung v. 9. Mai 1906 St. B. 
3047 A. Nicht richtig ist, wie in der Reichstagssitzung v. 30. Nov. 1907 
St. B. 1930 A behauptet worden ist, daß das Reichsgericht die Tantiemen- 
Steuer als eine indirekte bezeichnet habe. Das Reichsgericht hat vielmehr in 
der Entscheidung v. 19. Nov. 1907 (Cs. Bd. 67 S. 109), die allein gemeint sein 
kann, erklärt, diese Frage nicht entscheiden zu wollen, weil sie für den dem 
Reichsgericht vorliegenden Fall dahin gestellt bleiben könne, und hat nur 
die Ansicht vertreten, daß die Steuer wirtschaftlich wie eine unmittelbare 
Belastung des Tantiemen-Empfängers wirke. Mit gleichem Recht kann man 
dies von manchen anderen Stempelabgaben sagen, z. B. dem Stempel, der 
nach dem auf der Finanzreform von 1909 beruhenden Reichsstempelgesetz 
v. 15. Juli 1909 R.G.Bl. 825 von den Gewinnanteil- und Zinsbogen er- 
hoben wird. Unter den neuen Steuern der Finanzreform von 1909 befindet 
sich überhaupt keine, die auch nur eine Annäherung an das System der 
direkten Steuern bedeutet. 
Da nach Art. 4 Ziff. 2 dem Reich die Steuergesetzgebung nur soweit 
zusteht, als die Steuern für die Zwecke des Reichs zu verwenden find, so 
ist die Bestimmung des § 13 des Zolltarifgesetzes v. 25. Dez. 1902 R.G. Bl. 
S. 303 betr. das Verbot gewisser auf Lebensmittel gelegter indirekter Kom- 
munalsteuern als Ausdehnung der dem Reich durch Art. 4 Ziff. 2 zugewiesenen 
Kompetenz angesehen worden; vgl. die Reichstagsverhandlungen v. 20. Nov. 
1902 St.B. 64570D und v. 12. Dez. 1906 St. B. 4353 C. Es ist zweifel- 
haft, ob nicht dasselbe auch von der Bestimmung des § 2 des Erbschafts- 
steuergesetzes und § 5 des Ges. betr. Anderung im Finanzwesen v. 15. Juli 
1909 R.G.Bl. S. 743 gilt, wonach ein 1¼ (früher ½) des Rohertrages der 
Erbschaftssteuer den Bundesstaaten verbleibt; es handelt sich also um eine 
Steuer, die zu einem wesentlichen Teile nicht für die Zwecke des Reichs zu 
verwenden ist; vgl. die Ausführungen des Abg. Speck in der Reichstags- 
sitzung v. 9. Jan. 1906 St. B. 413 A. 
Dagegen kann die Kompetenz des Reichs zum Erlaß des Ges. v. 
31. Mai 1881 betr. die Besteuerung der Dienstwohnungen der Reichsbeamten 
N. G. Bl. S. 99 und des Ges. betr. die Heranziehung von Militärpersonen 
zu den Gemeindeabgaben v. 28. März 1886 R. G. Bl. S. 65 auf Art. 18 
bezw. 61 R.V. zurückgeführt werden — anderer Ansicht: v. Seydel S. 78 
und v. Jagemann S. 205. 
b) Die Handelsgesetzgebung. 
Von den auf Grund dieser Reichskompetenz ergangenen Reichsgesetzen 
ist hervorzuheben: das Handelsgesetzbuch, dessen geltende Fassung auf dem 
Ges. v. 10. Mai 1897 R.G. Bl. S. 219 beruht. Es enthält Bestimmungen 
über die besonderen, von den Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen 
Rechts abweichenden Rechte und Pflichten der Kaufleute (Handelsregister,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.