Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

8 Eingang. 
Bundes und den Monarchen der Süddeutschen Staaten geschlossen war. 
Dagegen haben sich an die Entstehung des Norddeutschen Bundes in der 
staatsrechtlichen Literatur Streitfragen geknüpft, deren Lösung für die grund- 
sätzliche Auffassung der staatsrechtlichen Beziehungen zwischen Reich und Einzel- 
staaten und damit für das Verständnis des in der Bestimmung des Eingangs 
der Verfassung zum Ausdruck kommenden Rechtsverhältnisses wesentlich ist; 
die Bestimmung des Eingangs der Reichsverfassung stimmt nämlich wörtlich 
überein mit dem Eingang der Verfassung des Norddeutschen Bundes, ab- 
gesehen davon, daß dort natürlich als die das Bündnis schließenden Bundes- 
fürsten die Monarchen sämtlicher Einzelstaaten und die Senate der drei freien 
Städte des Norddeutschen Bundes genannt sind. Die meisten Schriftsteller, 
insbesondere Laband 1 S. 22 ff., 80 ff., Zorn 1 82, Hänel Studien S. 53 ff., 
75 f., Staatsrecht 1 S. 14 ff., v. Rönne II 1 S. 27 ff., Jellinek Lehre von 
den Staatenverbindungen S. 301 ff., Anschütz Enzyklopädie S. 505 ff., 
Arndt S. 31, 194 (weitere Literatur bei Meyer S. 176 ff.) sind darüber 
einig, daß das Reich ein Bundesstaat, d. h. ein von den Einzelstaaten selb- 
ständiges, ihnen übergeordnetes Staatswesen mit eigener Rechtspersönlichkeit 
ist, daß zwischen den deutschen Einzelstaaten eine vertragsmäßige Verbindung 
nicht mehr besteht und daß die Beziehungen zwischen Reich und Einzel- 
staaten sich in den Bestimmungen der Reichsverfassung, die den Charakter 
eines variablen Reichsgesetzes hat, erschöpfen. über die Entstehung des in 
dem Norddeutschen Bund wie in dem Reich gegebenen Bundesstaates, der, 
wenn er auf der Verfassung beruht, sich die Verfassung nicht selbst gegeben 
haben kann, sind die Auffassungen der vorerwähnten Schriftsteller unter sich 
geteilt (vgl. über die verschiedenen Ansichten das Referat von Meyer-Anschütz 
S. 176ff.). Die sich hierauf erstreckenden Streitpunkte können dahingestellt 
bleiben, weil das Reich, sei es mit oder ohne die Möglichkeit einer juristischen 
Konstruktion seiner Entstehung, sei es in oder außer Harmonie mit den 
überlieferten Begriffen der Rechtswissenschaft, seit vier Jahrzehnten tatsächlich 
besteht. 
In eine zweite Kategorie der Ansichten über die staatsrechtliche Natur 
des Reichs gehört der von v. Seydel S. 15 ff. vertretene Standpunkt, wonach 
die Verfassung nichts als ein völkerrechtlicher Vertrag und in Konsequenz 
dieser Auffassung das Reich nicht ein Bundesstaat, sondern ein Staatenbund 
sein soll; dieser Standpunkt ist deshalb fast allseitig abgelehnt worden. 
Einen zwischen beiden Auffassungen vermittelnden Standpunkt nimmt 
Meyer S. 175 f. ein, der davon ausgeht, daß die Verfassung des Reichs 
auf einem völkerrechtlichen Vertrage beruht, daß aber die Verfassung kraft 
ihrer durch sie selbst gegebenen Bestimmung des Art. 78, wonach die Ab- 
änderung auf dem Wege der Reichsgesetzgebung erfolgen solle, die Wirk- 
samkeit eines Reichsgesetzes erhalten habe. Meyer S. 588 ff. erkennt an, daß 
im Verhältnis zwischen Reich und Einzelstaaten neben den durch die Ver- 
fassung vorgesehenen reichsgesetzlichen Bestimmungen noch vertragsmäßige 
Beziehungen erhalten find. Mit diesem Standpunkt stimmen ungefähr 
überein: H. Schulze Deutsches Staatsrecht § 74 S. 165, Brie Theorie 
der Staatenverbindungen S. 130 f., Fleischmann Der Weg der Gesetzgebung 
in Preußen S. 75 A. 163, v. Stengel in Schmollers Jahrbüchern Bd. 22 
S. 1162 ff., Löning Grundzüge der Verfassung des Deutschen Reichs S. 22. 
Zu dem gleichen Ergebnis kommt ungefähr v. Jagemann S. 42 ff. Für
	        
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