Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

166 II. Reichsgesetzgebung. Art. 4. 
Ziffer 14. 
Das Militärwesen des Reichs und die Kriegsmarine. 
Die wichtigsten in dieses Gebiet gehörigen Reichsgesetze find in den 
Erläuterungen zu Art. 53 und Art. 57—68 R. V. genannt. 
Es sei hier nur mit Bezug auf im Reichstag wiederholt geltend gemachte 
Zweifel hervorgehoben, daß die zum Ressort des Reichsamts des Innern 
gehörige Reichs-Schulkommission ihren Geschäftskreis als Reichsbehörde 
auf keine andere Bestimmung der R.V stützen kann, als auf Art. 4 Ziff. 14. 
Daraus ergibt sich, daß sie andere als militärische Interessen nicht wahr- 
nehmen darf. Sie hat nur zu prüfen, und zwar im Auftrage des Reichs- 
kanzlers, ob die Schulen der Einzelstaaten, die den Anspruch erheben, ihren 
Schülern das Zeugnis über die Befähigung für den einjährig-freiwilligen 
Militärdienst zu erteilen, nach Einrichtung und Lehrplan ihren Schülern 
eine entsprechende Ausbildung geben können, und über das Ergebnis ihrer 
Prüfung hat sie dem Reichskanzler, der allein den Lehranstalten eine ent- 
sprechende Berechtigung erteilen darf, Bericht zu erstatten. Dagegen kann 
ein Eingriff in die den Regierungen der Einzelstaaten ausschließlich zustehende 
allgemeine Schulaufficht nicht in Betracht kommen; vgl. die Reichstags- 
verhandlungen v. 31. Jan. 1901 St. B. 1045. 
Ziffer 15. 
a) Die Medizinalpelizei. 
Diese Bestimmung, die auf einem Amendement des Abg. Graf Schwerin- 
Putzar beruht (St. B. v. 1867 S. 314), ist nicht dahin aufzufassen, daß die 
Zuständigkeit des Reichs für sämtliche Angelegenheiten der Gesetzgebung 
begründet ist, bei denen es sich um die Verhütung von Krankheiten handelt. 
Dann würde für die Kompetenz der Einzelstaaten anf dem Gebiete der 
inneren Verwaltung nicht viel übrig bleiben; z. B. hat die den Einzelstaaten 
vorbehaltene Gesetzgebung im Bereiche der Baupolizei, des Schulwesens, 
des Bergbaus und der allgemeinen Polizei zum großen Teil die Verhütung 
gesundheitlicher Schädigungen zur Aufgabe. Es ist vielmehr der von 
Laband III S. 251 vertretenen Ansicht zuzustimmen, daß unter dem Begriff 
der Medizinalpolizei im Sinne des Art. 4 Ziff. 15 nur solche Maßregeln 
zu verstehen sind, die ausschließlich dem Zweck dienen, den Ausbruch und 
die Verbreitung von Krankheiten zu verhüten und die nicht einen Teil 
einer anderen staatlichen Gesetzgebung oder Einrichtung bilden. Deshalb 
beruht die Kompetenz des Reichs zu den hygienischen Bestimmungen, die 
im Bereiche der Gewerbeordnung und der Arbeiterversicherung, und zu den 
gesundheitspolizeilichen Anordnungen, die im Strafrecht getroffen find, nicht 
auf Ziff. 15, sondern auf Ziff. 1 bez. 13. Ob z. B. die Zuständigkeit des 
Reichs zum Erlaß eines — im Reichstage wiederholt angeregten — Reichs- 
wohnungsgesetzes, das sicherlich nicht ausschließlich den Zwecken der Medi- 
zinalpolizei dienen würde, ohne weiteres durch Art. 4 Ziff. 15 begründet 
sein würde, kann in Zweifel gezogen werden. 
gahren den auf Ziff. 15 zu stützenden Reichsgesetzen find folgende hervor- 
zuheben: 
das Impfgesetz v. 8. April 1874 R.G.Bl. S. 31;
	        
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