II. Reichsgesetzgebung. Art. 5. 185
nicht aufgestellt. Näher erörtert ist die Frage bei Art. 7A III. Jedoch ist
schon hier hervorzuheben, daß der Reichsverwaltung das Recht nicht zu
bestreiten ist, jede Angelegenheit, die im Wege der Verordnung oder selbst
im Wege einer einfachen Verfügung der Exekutivorgane nach der Verfassung
geregelt werden könnte, zum Gegenstand eines Reichsgesetzes zu machen, wenn
das erforderliche Einvernehmen mit dem Bundesrat und Reichstag erzielt
wird, da die Reichsverwaltung, bez. falls der Bundesrat zur Verordnung
berechtigt ist, dieser sich freiwillig bindet und etwas von seinen Rechten auf-
gibt, wenn er aus freien Stücken den Weg der Gesetzgebung einschlägt. In
der praktischen Politik spielt dieses Verfahren eine große Rolle, weil die
Reichsverwaltung bez. die Verbündeten Regierungen sich dadurch von ihrer
Verantwortlichkeit entlasten können in Angelegenheiten, in denen sie ohne
oder gegen den Willen der Volksvertretung nicht vorgehen wollen, selbst
wenn die Erledigung dieser Angelegenheiten zu ihrer eigenen und ausschließ-
lichen Kompetenz gehört. Das Parlament ist in erster Reihe berufen nach-
zuprüfen, welche Wirkung die Maßnahmen des Staats auf die vielgestaltigen
Interessen der verschiedenen Volkskreise hervorrufen; deshalb kann auch bei
Maßregeln, bei denen eine juristische Verantwortung nicht in Frage kommt,
für die Regierung eine Entlastung von ihrer moralischen und politischen
Verantwortung sich daraus ergeben, daß sie sich der Zustimmung der Volks-
vertretung über den verfassungsmäßig notwendigen Grad hinaus versichert.
Vor allem ist der Reichstag in der Regel insofern beteiligt, als neue Ein-
richtungen, neue Staatsaufgaben und neue Behördenorganisationen meistens
auch Mehrausgaben für Beamtengehälter und dergl. erfordern uud zur Be-
willigung dieser Ausgaben die Mitwirkung des Reichstags nicht entbehrt
werden kann, Ohne Frage wird es in solchen Fällen, wenn die Verbündeten
Regierungen der Zustimmung des Reichstags zu der neuen Einrichtung nicht
sicher find, mehr im Sinne einer praktischen Politik liegen, sich der Bereit-
willigkeit des Reichstags durch die gesetzliche Regelung der Angelegenheit
von vornherein zu versichern, als es auf einen Konflikt bei dem Etatsgesetz
ankommen zu lassen; vgl. Laband II S. 62f., Jellinek Gesetz und Ver-
ordnung S. 256f.
5. Die Vorbereitung der Reichsgesetze.
Die Reichsverfassung bestimmt durch Art. 5, daß ohne die Zustimmung
des Bundesrats und Reichstags kein Reichsgesetz zustande kommen kann,
sie bestimmt aber nichts über den praktisch sehr bedeutungsvollen Punkt,
wem die Vorarbeiten für den Gesetzentwurf und dessen Ausarbeitung ob-
liegen und von wem die erste Anregung dazu ausgehen darf, abgesehen von
dem formellen Vorschlage, der natürlich nur von einer der beiden gesetz-
gebenden Körperschaft herrühren kann und dem namentlich, wenn die Vor-
lage vom Bundesrat ausgeht, regelmäßig bereits ein bis in alle Einzel-
heiten ausgearbeitetes Projekt zugrunde liegt. Bei dem Mangel einer
Verfassunsbestimmung ist in dieser Beziehung nichts verboten und alles
erlaubt. Die Reichsverwaltung kann jede beliebige Reichsbehörde mit der
Ausarbeitung beauftragen, selbst Privatpersonen zuziehen oder auch die
Vorarbeiten der Regierung eines Einzelstaates überlassen. Sie kann auch,
um sich über die Aufnahme zu unterrichten, die der Entwurf bei den gesetz-
gebenden Körperschaften finden würde, noch ehe sie den Entwurf förmlich