188 II. Reichsgesetzgebung. Art. 5.
zu werden, wenn sie (auch) tatsächlich Änderungen der bestehenden Ein—
richtungen, mit denen sie nicht übereinstimmt, ablehnen könnte, so meine
ich, find wir verpflichtet, der Krone dieses faktische Verhältnis auch recht-
lich zu sichern, und ich habe dazu dieselbe Form wählen zu müssen
geglaubt, die bei einer anderen Gelegenheit, bei den Beratungen über Zoll-
wesen und Handelsverträge der Krone Preußen dieses Veto bei-
legt . . .“
Aus diesen Ausführungen geht hervor, daß dem 2. Absatz des Art. 5
die Absicht zugrunde lag, der Krone Preußen als Entgelt dafür, daß die
Regelung des Militärwesens auf den Norddeutschen Bund übertragen wurde,
ein Veto gegen alle Abänderungen des bestehenden, laut Art. 61 eingeführten
Zustandes einzuräumen. Mit dieser Absicht würde es nicht im Einklange
stehen, wenn in Militär- und Marine-Angelegenheiten, soweit fie der Rege-
lung im Verordnungswege unterliegen, eine Majorifierung Preußens im
Bundesrate zulässig sein sollte. Es ist nicht zuzugeben, daß dieser Absicht
schon durch Einräumung des Vetorechts gegenüber Gesetzesvorschlägen genügt
werde, da durch die Reichsgesetzgebung der Verordnungsweg für Militär-
angelegenheiten überhaupt ausgeschlossen werden könnte. Damit wird der
Krone Preußen nicht immer gedient sein. Es ist möglich, daß es zur Be-
schleunigung der erforderlichen Anordnungen und um die Zustimmung des
Reichstags für Spezialfälle entbehrlich zu machen und den damit verbundenen
Zeitverlust zu vermeiden, durchaus im Interesse der Sache liegt und dem
eigenen Wunsch der Krone Preußen entspricht, daß gewisse Angelegenheiten
der Regelung im Verordnungswege überlassen werden. Dann würde, wenn
die einschränkende Auslegung des Wortes „Gesetzesvorschläge“" richtig wäre,
eine Majorisierung Preußens im Bundesrate doch möglich sein. Das argu-
mentum e contrario, das sich aus Art. 37 ergibt, ist allerdings nicht ohne
weiteres abzulehnen, aber es ist auch zu berücksichtigen, daß die Redaktion
der Reichsverfassung, soweit sie von Gesetzen und Gesetzesvorschlägen spricht,
nicht ganz genau ist und sich mindestens nicht vollständig mit dem gegen-
wärtigen juristischen Sprachgebrauch deckt. So hat es nach Art. 61 den
Anschein, als ob das Wort „Gesetzgebung“ zur Bezeichnung eines sowohl
die Gesetze im eigentlichen Sinne als auch die Verordnungen umfassenden
weitern Begriffs gebraucht sei, denn es heißt dort, daß einzuführen sei:
„die gesamte preußische Militärgesetzgebung, sowohl die Gesetze selbst als
die zu ihrer Ausführung, Erläuterung oder Ergänzung erlassenen Reglements,
Instruktionen“ usw. Mindestens sieht es so aus, als ob in dieser Bestimmung
die Ausführungsverordnungen ohne weiteres als ein Appendix der Gesetze
behandelt würden. Von Art. 5 Abs. 1 kann dies mit Rücksicht auf die
dort vorgesehene Mitwirkung des Reichstags natürlich nicht gelten. Gegen
die Genauigkeit der Redaktion der hier in Betracht kommenden Vorschriften
spricht es auch, daß Art. 5 Abs. 2 bei einem sonst dem Art. 37 nach-
gebildeten Wortlaut nur von „bestehenden Einrichtungen“ spricht, während
Art. 37 die Fassung „bestehende Vorschrift oder Einrichtung“ enthält. Wie
zu 2 dargelegt ist, kann es aber keinem Zweifel unterliegen, daß im Art. 5
das Wort „Einrichtung“ in dem Sinne gebraucht ist, daß es die bestehenden
Vorschriften umfaßt. Also auch dieses Wort hat in beiden Artikeln eine ver-
schiedene Bedeutung. Man kann endlich nicht sagen (Arndt S. 181), daß
dem praktischen Bedürfnis der durch Preußen repräsentierten stärksten Militär-