Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

190 II. Reichsgesetzgebung. Art. 5. 
gebnis. Für Militärangelegenheiten, soweit sie nicht reichsgesetzlich geregelt 
sind, werden kaum andere als preußische Landeseinrichtungen der Gegen- 
stand einer Reform sein können, und es ist nicht einzusehen, warum die 
Krone Preußen, soweit Preußens eigenes Recht in Militärangelegenheiten 
noch gilt, nicht auch ein Interesse haben sollte, es durch sein Veto gegen 
eine andere reichsgesetzliche Regelung zu schützen, wenn letztere aus irgend 
welchen politischen Gründen der Krone Preußen unverwünscht sein sollte. 
Für Marineangelegenheiten werden Landeseinrichtungen nicht in Betracht 
kommen, wohl aber kann dies in Angelegenheiten der Reichszölle und Reichs- 
steuern der Fall sein, uud handelt es sich in der Tat dabei um Landes- 
einrichtungen eines andern Bundesstaats und hält Preußen es für an- 
gemessen, diese Landeseinrichtungen einer geplanten Abänderung vorzuziehen, 
so steht bei dem Einfluß, welcher der Krone Preußen nun einmal in diesen 
Angelegenheiten eingeräumt werden sollte, nichts entgegen, daß die preußische 
Regierung auch fremdes Landesrecht durch ihr Veto gegen eine anderweitige 
reichsgesetzliche Regelung aufrecht erhält. Vor allem ist zu berücksichtigen, 
daß die militärischen Einrichtungen mindestens in der ersten Zeit nach der 
Gründung des Norddeutschen Bundes und des Reichs ganz überwiegend 
auf preußischem Landesrecht beruhten, daß die preußische Regierung deshalb 
ein starkes Interesse daran hatte, auch in der Frage der Erhaltung preußischer 
Einrichtungen nicht durch den Bundesrat majorifiert zu werden und daß der 
Schutz hiergegen gewiß nicht außerhalb des Ziels der Bestimmung des 
Art. 5 Abs. 2 liegt. 
3. Meinungsverschiedenheiten. 
Eine Meinungsverschiedenheit liegt auch dann vor, wenn den 17 Stimmen 
Preußens alle anderen Stimmen geschlossen gegenüberstehen und nur Preußen 
anderer Ansicht ist. Gegen den Willen Preußens kann also in diesen 
Angelegenheiten nichts neues geschehen — ebenso v. Seydel S. 119. 
Zweifelhaft ist die Lösung der Frage, ob die Mehrheit des Bundesrats 
oder die in der Minderheit sich befindende Krone Preußen zu entscheiden 
hat, falls die Vorfrage streitig ist, ob der Fall des Art. 5 Abs. 2 überhaupt 
gegeben ist und ob die Voraussetzungen für die Ausübung des Vetorechts 
vorliegen; es kann z. B. fraglich sein, ob eine bestehende Einrichtung vor- 
liegt, ob in dem Beschluß des Bundesrats eine Abänderung dieser Ein- 
richtung liegt und ob eine der im Art. 5 Abs. 2 bezeichneten Angelegenheiten 
berührt wird, wenn diese Angelegenheiten etwa nur mittelbar und entfernt 
beteiligt find und deshalb in Zweifel gezogen wird, ob sie überhaupt noch 
beteiligt sind. Die Reichsverfassung enthält keine Bestimmung darüber, 
wem die Entscheidung obliegt, und da die preußische Regierung und die 
Mehrheit des Bundesrats sich in einem solchen Falle wie zwei Parteien 
gegenüberstehen, so wäre es willkürlich, wenn dem einem oder anderem von 
ihnen die Entscheidung eingeräumt werden sollte. Dagegen dürfte anzu- 
nehmen sein, daß der Kaiser, dessen Sache es überhaupt ist, vor der Ver- 
kündigung der Reichsgesetze deren verfassungsmäßiges Zustandekommen zu 
prüfen, berechtigt und verpflichtet ist, auch zu prüfen, ob Preußen ein Recht 
zum Veto hatte, ob es dieses Recht ausgeübt hat und ob das Veto gehörig 
beachtet worden ist. Allerdings steht der Kaiser mit dem König von 
Preußen in Personalunion, aber gleichwohl dürfte dieser Ausweg besser sein,
	        
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