Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

12 Eingang. 
sitzung v. 8. Dez. 1870 St. B. 140 die förmliche Erklärung abgab, daß in 
den Vertrag mit Bayern nicht bloß die einzelnen Artikel der Verfassung 
des Norddeutschen Bundes, sondern auch die Bestimmung des Eingangs 
dieser Verfassung übernommen sei. Unter demselben Gesichtspunkt ist es zu 
verstehen, daß Fürst Bismarck in der Reichstagssitzung v. 9. Juli 1879 
St. B. 2197 erklärte: 
„Die verfassungsmäßige Definition des Reichs befindet sich in dem 
einleitenden Satze zur Verfassung über den Bundesvertrag, den die Ver- 
bündeten Regierungen untereinander abgeschlossen haben, und der da 
lautet, daß der König von Preußen und die Übrigen einen ewigen Bund 
schließen.“ 
Der Wortlaut des Eingangs bringt allerdings in erster Reihe nur 
einen historischen abgeschlossenen Vorgang zum Ausdruck, aber aus diesem 
Vorgang ergeben sich unmittelbar verpflichtende Rechtssätze für die Zukunft, 
sei es auch nur des Inhalts, daß in Zukunft erhalten bleiben soll, was 
schon bestand, als die Verfassung ins Leben trat. Auch in einem solchen 
Versprechen, wenn es genügend fixiert ist, liegt ein Rechtssatz, dessen poftitive 
Konsequenzen nunmehr geprüft werden sollen. 
II. Die in dem Eingang zum Ausdruck kommenden Rechtsgarantien 
für die Einzelstaaten gegenüber der Reichsgesetzgebung. 
Der Eingang spricht aus, daß die Monarchen der deutschen Einzel- 
staaten und die Senate der Freien Städte einen ewigen Bund zum Schutze 
des Bundesgebietes und des innerhalb desselben gültigen Rechts sowie zur 
Pflege der Wohlfahrt des Deutschen Volkes schließen. Wenn dieser Satz 
Wahrheit bleiben soll, so müssen die Elemente, auf denen sich das im Ein- 
gang geschilderte Bundesverhältnis aufbaut, der Disposition der Reichs- 
gesetzgebung entzogen sein. Danach ist für die Einzelstaaten garantiert: 
1. die Existenz der den Bund schließenden staatsrechtlichen Persönlich- 
keiten; 
2. deren Zusammenschluß zu einem Bunde; 
3. die Ewigkeit des Bundes; 
4. die allgemeine Zweckbestimmung des Bundes. 
1. Die Mitglieder des Bundes. 
Als solche find im Eingange genannt: der König von Preußen, die 
Könige von Bayern und Württemberg, sowie die Großherzöge von Baden 
und Hessen, letzterer für die südlich vom Main belegenen Teile des Groß- 
herzogtums Hessen. 
Der König von Preußen tritt im Namen des Norddeutschen Bundes 
auf. Staatsrechtlich ist dies durchaus begründet. Denn für den Nord- 
deutschen Bund galt nach Art. 11 seiner Verfassung dieselbe Bestimmung, 
wie jetzt nach Art. 11 R.V. für das Reich. Danach lag es dem König 
von Preußen verfassungsmäßig ob, den Norddeutschen Bund bei den Ver- 
trägen mit den Süddeutschen Staaten zu vertreten, die zur Gründung des 
Reiches geführt haben. Das Reich ist nichts anderes als eine Fortsetzung 
des Norddeutschen Bundes. Der durch diesen Bund geschaffene Zusammen-
	        
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