III. Bundesrat. Art. 6. 207
Deutschen Bundes verteilt“ sowie auf die Tatsache, daß ungeachtet des
Wegfalls der Worte in der Reichsverfassung in diesem Satze das Prinzip
der Stimmenverteilung liegt. Laband schließt daraus, daß die im Art. 6
gegebene Aufzählung der den Bundesstaaten zustehenden Stimmen nicht
den Charakter einer selbständigen Rechtssatzung, sondern nur die faktische
Durchführung des sanktionierten Prinzips enthalte; hieraus zieht er den
weiteren Schluß, daß ein selbständiges Recht — sogen. Sonderrecht — der
Bundesstaaten auf die ihnen durch Art. 6 zugesprochene Stimmenzahl
nicht bestehe und daß eine Abänderung nach Art. 78 Abs. 1, d. h. ohne
Zustimmung des von der Abänderung betroffenen Bundesstaates möglich
wäre. Zu dem gleichen Ergebnis gelangt u. a. Hänel, Studien I S. 203, 208.
Die entgegengesetzte Ansicht vertreten u. a. v. Seydel S. 135 III, v. Jagemann
S. 232, Arndt Kommentar Art. 6, 4 S. 135 (mit weiteren Literaturangaben),
v. Rönne 1 S. 199f und Löning, Hirth's Annalen Bd. 8 S. 367 f. Bei
letzteren beiden ist ausgeführt, daß der fragliche Hinweis auf die Stimmen-
verteilung im Plenum des ehemaligen Deutschen Bundes nicht die Auf-
stellung eines allgemeinen Grundsatzes, sondern nur die Angabe des
geschichtlichen Motives enthält. Hänel a. a. O. vertritt die Ansicht, es
könnten nur diejenigen Staaten, denen durch Art. 6 eine Mehrheit von
Stimmen im Bundeesrat zugeteilt sei, sich auf einen besonderen Verfassungs-
schutz berufen, denn nur sie seien „einzelne Bundesstaaten" im Sinne des
Art 78 Abs. 2 R.V.; es müsse aber angenommen werden, daß die Reichs-
verfassung die Staaten mit einfachen Stimmen nicht habe schlechter stellen
wollen, als die mit einer Mehrheit von Stimmen, und daher könne man
auch nicht das Recht einzelner Staaten auf eine Mehrheit von Stimmen
als ein Sonderrecht betrachten. Hiergegen hat Löning a. a. O. S. 369
eingewendet — und Rönne a. a. O. S. 200 hat sich ihm angeschlossen —
daß dies nur dann richtig sei, wenn die Reichsverfassung bestimmt hätte,
„daß jeder Staat eine Stimme führe, gewisse Staaten aber ausnahmsweise
mehrere.“ Dies sei jedoch nicht geschehen, sondern die Reichsverfassung
fixriere nur das Stimmenverhältnis der Staaten unter einander; die Zahl
der Stimmen sei nur der Ausdruck dieses Verhältnisses, das durch eine
jede Veränderung in der Stimmenzahl irgend eines Staates zugunsten oder
ungunsten aller anderen Staaten alteriert werde; der rechtliche Charakter
des Stimmrechtes müsse sich gleich bleiben ohne Unterschied, ob der eine
Staat eine, der andere Staat mehrere Stimmen habe. Diesen Ausführungen
kann im Ergebnis nur beigetreten werden. Es ist nicht zuzugeben, daß
die im Art. 6 R.V. festgestellten Stimmrechte der Einzelstaaten im Bundes-
rate der Ausfluß eines allgemeinen Prinzips der Reichsverfassung sind
dergestalt, daß damit die Frage im Sinne des Art. 78 Abs. 1 ent-
schieden ist. Wenn es sich bei der Ubernahme der für das Plenum des
ehemaligen Deutschen Bundes maßgebend gewesenen Stimmenverteilung um
ein Prinzip handelt, das in der Verfassung — abgesehen von der für
Bayern festgesetzten Modifikation — als Rechtssatz erscheint, so hat dieses
Prinzip gleichzeitig zur Folge, daß das Stimmrecht der einzelnen Bundes-
staaten in ihrem Verhältnisse zur Gesamtheit, d. h. zum Reich in bestimmter
Weise festgestellt wird. Gerade weil die Stimmenverteilung so wenig der
territorialen Größe der Bundesstaaten und ihrer Einwohnerzahl entspricht
und zu einer bedeutenden Begünstigung der kleineren Staaten führt — um