III. Bundesrat. Art. 7. 213
Hoheitsrechte von den Einzelstaaten auf das Reich übergegangen sind, und
die Vermutung spricht daher für die Zuständigkeit der Einzelstaaten.
Aus demselben historischen Grunde ergibt sich noch eine zweite NRechts-
vermutung: Soweit die Kompetenz des Reichs sich erstreckt, spricht —
innerhalb der Reichskompetenz — die Vermutung für die Zuständigkeit
des Bundesrats als desjenigen Organs, das die Verbündeten Regierungen
vertritt. Die Verbündeten Regierungen haben auch im Reich alle Macht-
befugnisse behalten, die nicht durch pofitive Bestimmungen der Reichs-
verfassung oder der fie ergänzenden Reichsgesetzgebung anderen Organen
des Reichs übertragen worden sind. Deshalb läßt sich die Zuständigkeit
des Bundesrats mittelbar dadurch feststellen, daß man von allen im Reiche
vorhandenen Machtvollkommenheiten nur die dem Kaiser und dem Reichs-
tage zugewiesenen Funktionen in Abzug bringt. Dem Kaiser steht im
wesentlichen die Vertretung nach außen, die Führung der Regierungsgeschäfte
in Angelegenheiten der Post und Telegraphie und der Oberbefehl über
Landheer und Marine, dem Reichstage die Mitwirkung bei der Gesetzgebung
zu. Für den Bundesrat bleibt also übrig: zunächst die Ergänzung der
dem Reichstage bei der Gesetzgebung obliegenden Funktionen, ferner das
Recht, solche Rechtsregeln aufzustellen, für welche der Weg der Gesetzgebung
nicht erforderlich ist, also die Befugnis zum Erlasse von Verordnungen,
und endlich ein großer Teil von Verwaltungsgeschäften, die nicht durch
pofitive Bestimmung dem Kaiser zugewiesen sind. Während aber für die
Kompetenz des Bundesrats, Verordnungen zu erlassen und den Gang der
Verwaltung durch allgemeine Vorschriften und Einrichtungen zu regeln, die
Vermutung spricht, gilt auf dem Gebiete der eigentlichen Exekutivgewalt
und der Interna der Reichsbehörden das Gegenteil. Hier spricht die Ver-
mutung für die Zuständigkeit des Kaisers, weil der Kaiser den Reichs-
kanzler anstellt und entläßt und damit den ganzen Behbrdenapparat des
Reichs zur Verfügung hat — abgesehen natürlich von den in dem sachlichen
Teil ihrer Geschäfte überhaupt unabhängigen richterlichen Behörden des
Reichs; vgl. Laband 1 S. 232, Meyer § 121 S. 424 ff., v. Seydel S. 126.
Der die Zuständigkeit des Bundesrats regelnde Abs. 1 fehlte im Art.7
der Verfassung des Norddeutschen Bundes. Eine entsprechende Bestimmung
befand sich dort im Art. 37 und im Art. 8 8 12 des Zoll-Vertv. v. 8. Juli
1867 (B.G. Bl. S. 94), erstreckte sich aber bloß auf das Handels-, Zoll-
und Steuerwesen, sodaß vor der Gründung des Reichs der Bundetrat
gleiche Machtbefugnisse nur auf diesen Gebieten besaß. Zu der Umstellung
dieser Bestimmung nach Art. 7 erklärte der Präsident des Bunde kanzler-
amts Delbrück in der Reichstagssitzung v. 5. Dez. 1870 St. B. 69:
„ — Ich gehe nun über zu einigen, mehr die inneren Verhältnisse
betreffenden Abänderungen, die gleich den oben erwähnten die Bedeutung
einer Verstärkung des föderativen Elements haben. Es kann dahin zu-
nächst gerechnet werden die neue Redaktion des Art. 7, in welcher die
Attributionen des Bundesrats zusammengefaßt find. Ich sage, sie kann
hierher gerechnet werden, denn diese Zusammenfassung von Bestimmungen,
die wesentlich übereinstimmend sich an anderen Stellen der Bundes-
verfafsung finden, hat eine ins Gewicht fallende materielle Bedeutung
nicht. Es wurde Wert gelegt auf diese Zusammenfassung, um an einem
Orte klar zu stellen die eigentlichen Zuständigkeiten des Bundesrats, deren