220 III. Bundesrat. Art. 7.
ein Schluß gezogen werden kann, stellt das Reichsgericht mit dem Hinweis
auf den auf Art. 7 Ziff. 2 gestützten Anspruch des Bundesrats nicht nur
die Tatsache fest, daß dieser Anspruch erhoben wird, sondern billigt auch
den Anspruch. Allerdings um mehr als eine gelegentliche, mit dem eigent-
liche Ziele des Urteils nur in lockerem Zusammenhange stehende Bemerkung
handelt es sich dabei nicht, so daß im ganzen nur wiederholt werden kann,
daß das Reichsgericht in bestimmter Form zu der Frage noch keine Stellung
genommen hat; vgl. Hubrich in Hirth's Annalen 1904 S. 770ff.
Dagegen hat das Kammergericht in einem letztinstanzlichen Urteile v.
24. Sept. 1900 (Jahrbuch Bd. 20 S. 122 C) zum Ausdruck gebracht, daß
es unter „Verwaltungsvorschriften“ im Sinne des Art. 7 Ziff. 2 R.V.
Verordnungen im gewöhnlichen Sinne des Wortes versteht, d. h. Rechts-
vorschriften, die sich in Ansehung ihrer die Untertanen verpflichtenden
Kraft von dem Gesetz nicht unterscheiden. In diesem Urteil ist folgendes
gesagt:
„Staatsrechtlich sind Verordnungen die vom Staatsoberhaupt oder
einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten erlassenen
Vorschriften (vgl. G. Meyer, Verwaltungsrecht 2a S. 29) im Gegensatz
zu dem für einzelne Fälle oder bei einer besonderen Gelegenheit getroffenen
„Maßregeln“ (val. z. B. §§ 327, 328 Str.G.B.) oder „Verfügungen“.
Ob sich solche Verordnungen als „Vorschriften", „Reglements“ oder
„Verordnungen“ bezeichnen, ist belanglos; einer bestimmten Art der Ver-
kündigung bedürfen dieselben nur dann, wenn dies durch Gesetz oder Ver-
ordnung besonders vorgeschrieben ist. Solche Verordnungen, die nicht
Polizei-Verordnungen find, kennt zunächst das Reichsstaatsrecht sowohl
als Kaiserliche Verordnung (vgl. z. B. 8 6 Nr. 2 der Gew.O., § 145
Str.G. B.), wie als „Verwaltungsvorschriften“, „Reglements“ des Bundes-
rats (vgl. z. B. Art. 7 Abs. 2, Art. 43 R.V., Arndt Verordnungsrecht
S. 85 ff.).“
Das Kammergericht zieht den Schluß, daß alle diese Verordnungen,
also auch die in Anwendung des Art. 7 Ziff. 2 R.V. erlassenen vom
Publikum zur Vermeidung einer Bestrafung aus § 367 Ziff. 5 und 5a.
Str. G. B. — wenn die sonstigen Voraussetzungen dieser Strafbestimmungen
vorliegen — zu befolgen sind.
Allerdings wird von Laband II S. 86 u. a. die Ansicht vertreten, daß
wenn — wie in dem vorstehenden Falle — in dem Gesetz selbst die Zuwider-
handlungen gegen die im Rahmen des Gesetzes vom Bundesrat erlassenen
Vorschriften unter Strafe gestellt sind, es einer besonderen Ermächtigung
für den Bundesrat nicht mehr bedarf und dadurch wird die Bedeutung
der Kontroverse einigermaßen eingeschränkt. Aber nicht alle Fälle werden
dabei gedeckt. Der Bundesrat, von der unzweifelhaft richtigen Uberzeugung
ausgehend, daß die Reichsverfassung unter den allgemeinen Begriff der
Reichsgesetze fällt, nimmt für sich auch das Recht in Anspruch, zu gewissen
Bestimmungen der Reichsverfassung in Anwendung des Art. 7 Ziff. 2 Aus-
führungsvorschriften zu erlassen. Dies ist außer den bereits erwähnten
bahnpolizeilichen Vorschriften, die auf Grund der Art. 42, 48 R.V. erlassen
sind, namentlich der Fall bezüglich der Schiffsvermessungsordnung v. 1. Mänz
1895 R. G. Bl. S. 160, die vom Bundesrat auf Grund des Art. 54 R. B.
d. h. zur Ausführung des Art. 54 in Anwendung der dem Bundesrat