III. Bundesrat. Art. 7. 221
durch Art. 7 Ziff. 2 gegebenen Legitimation beschlossen ist, und bezüglich
der Eisenbahnverkehrsordnung, die in ihrer neuesten Fassung u. d. 17. Dez.
1908 R.G.Bl. 1909 S. 98 vom Bundesrat in gleicher Weise zur Aus-
führung des Art. 45 R.V. beschlofssen ist. Laband hat mit einer von seinem
Standpunkt aus vollkommenen Konsequenz beiden für den Verkehr so
fundamental wichtigen Vorschriften die Gültigkeit gegenüber dem Publikum
abgesprochen (III S. 123 ff., 189, und D. Jur. Zeit. 1899 S. 509ff.), desgleichen
den in Ausführung der Art. 42, 48 R.V. erlassenen bahnpolizeilichen Vor-
schriften III S. 112ff.
Hierin zeigt sich die praktische Bedeutung der Streitfrage. Es würde
nahe liegen und auch aus sachlichen Gesichtspunkten angezeigt sein, einen
Punkt, in welchem die Reichsverfassung einen klaren Ausdruck nicht gewählt
und deshalb eine zweifelsfreie Bestimmung nicht getroffen hat, auf sich
beruhen zu lassen, sobald — wie es hier geschehen ist — sich der ganz
überwiegende Teil der Vertreter der Wissenschaft auf eine bestimmte Ansicht
geeinigt hat, wenn diese Ansicht nicht zu unannehmbaren Konsequenzen
führte. Denn es müßten daraufhin Verordnungen, wie die Eisenbahn-
verkehrsordnung, die Betriebsordnung und die Bahnordnung, die Schiffs-
vermessungsordnung, die sich seit Jahren und Jahrzehnten in praktisch
anerkannter Geltung befinden und auf Grund deren eine Fülle von Rechts-
verhältnissen begründet find, für ungültig erklärt werden, ein Ergebnis, zu
dem man sich nicht ohne zwingende Notwendigkeit entschließen darf.
Hier wird, ohne daß die sich aus der Unklarheit des von der Ver-
fassung gewählten Ausdrucks ergebenden Bedenken verkannt werden, der
Standpunkt vertreten, daß auf Grund des Art. 7 Ziff. 2 der Bundesrat
ohne Einschränkung alle generellen Verordnungen erlassen darf, die im Ver-
hältnis zu einem Reichsgesetz, als welches auch die Reichsverfassung selbst
anzusehen ist, sich noch als Ausführungsvorschriften darstellen.
Arndt hat a. a. O. mit Recht darauf hingewiesen, daß derselbe Aus-
druck „Verwaltungsvorschriften“ im Art. 38 Abs. 1 R. V. und im § 152
des Vereinsgzollgesetzes v. 1. Juli 1869 B. G. Bl. S. 361 in einem Sinne
gebraucht ist, der die sogen. Rechtsverordnungen umfaßt. Art. 38 Abs. 1 R.V.
bestimmt, daß von der aus Reichssteuern aufgekommenen Bruttoeinnahme
u. a. die auf Gesetzen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften beruhenden
Steuervergütungen in Abzug kommen. Die „allgemeinen Verwaltungsvor-
schriften", welche Steuervergütungen festsetzen, begründen für die Steuer-
pflichtigen unmittelbare Rechte. § 152 des Vereinsgollgesetzes bestimmt:
„Die Übertretung der Vorschriften dieses Gesetzes sowie der infolge
derselben öffentlich bekannt gemachten Verwaltungsvorschriften
wird, sofern keine besondere Strafe angedroht ist, mit einer Ordnungs-
strafe bis zu fünfzig Talern geahndet.“
Bestimmungen, deren Übertretung unter Strafe gestellt wird, wie es hier
mit den Verwaltungsvorschriften geschehen ist, müssen selbstverständlich das
Publikum unmittelbar verpflichten. Auch hier ist also das Wort „Ver-
waltungsvorschriften"“ in dem weitern Sinne gebraucht. Dabei ist zu
beachten, daß es sich um ein Gesetz handelt, das etwa in derselben Zeit
wie die Verfassungsurkunde des Norddeutschen Bundes und des Deutschen
Reichs entstanden ist. Man kann also bei den gesetzgebenden Faktoren
dasselbe sprachliche Gefühl für die jetzt nicht mehr übliche Bezeichnung