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schaffende Aktion unternehmen will, wird davon auszugehen sein, daß
grundsätzlich, d. h. soweit die Reichsverfafsung nichts Gegenteiliges für be—
stimmte Fälle vorschreibt, jeder Einzelstaat Herr im eigenen Hause geblieben
ist, aber der Fall wird zur Reichsangelegenheit, wenn das dem Reich im-
manente Interesse an der Integrität des Reichsganzen, an der Aufrecht-
erhaltung des äußeren und inneren Friedens berührt wird, und dieser Fall
ist insbesondere dann gegeben, wenn von einem Einzelstaat eine Verbindung
mit dem Ausland gesucht wird, sei es in der Form der Realunion, der
Personalunion, des Gebietsaustausches, der Abtretung von Staatshoheitsrechten,
der Begünstigung ausländischer Kronprätendenten usw. Hieraus wird aus-
nahmslos die Gefahr von Verwickelungen mit dem Ausland entstehen, und
da das Reich verfassuugsmäßig verpflichtet ist, zum Schutze jedes Einzel-
staates gegenüber dem Ausland einzutreten, so wird der Schluß nicht ab-
zuweisen sein, daß sich hieraus für das Reich das Recht und die Pflicht
ergibt, den betreffenden Einzelstaat gegebenenfalls an der Eingehung solcher
Verbindungen zu verhindern. Dies fällt in den Bereich der Exekutiv--
gewalt. Eine Frage der Gesetzgebung werden solche Verbindungen mit
dem Auslande nur dann bilden, wenn spezielle Bestimmungen der
Verfassung, z. B. Art. 1 (Umfang des Bundesgebiets) oder Art. 6
(Stimmenverteilung im Bundesrat) berührt werden. Dies ist z. B. bei
der Personalunion sowie bei der Kronprätendentur einer in naher Ver-
bindung mit einem ausländischen Herrscherhaus stehenden Persönlichkeit
nicht der Fall; es ändert sich dann weder der Umfang des Reichsgebietes
noch die Stimmenverteilung im Bundesrat, und es würde überhaupt Ver-
anlassung zu einer Anderung der Art. 1 bis 78 R.V., die ein Reichsgesetz
erfordert, nicht gegeben sein. Es besteht aber mindestens die Möglichkeit,
daß wenn eine ausländische Dynastie, vielleicht die einer europäischen Groß-
macht, die Herrschaft über einen deutschen Bundesstaat übernimmt, sich
daraus für das Reich politische Gefahren ergeben, und wenn man die Zu-
ständigkeit des Reichs, in solchem Falle ordnend und nötigenfalls verhindernd
einzuschreiten, nicht auf den im Eingang enthaltenen Rechtssatz stützen will,
so würde zuzugeben sein, daß dem unleugbaren und unabweisbaren politischen
Interesse des Reichs eine seine Kompetenz begründende Bestimmung nicht
zur Seite steht.
Im konst. Reichstag — Sitzung v. 18. März 1867 St. B. 231 —
ist allerdings folgendes von dem Abg. v. Carlowitz gestellte Amendement
abgelehnt worden:
„Sämtliche Bundesglieder verpflichten sich gegenseitig dahin, daß sie
eine etwaige freiwillige Abtretung ihrer auf einem Bundesgebiet haftenden
Souveränitätsrechte ohne Zustimmung der Gesamtheit nur zugunsten
eines Mitverbündeten vornehmen wollen.“ (Anl. von 1867 Bd. II Nr. 13
zu l S. 37.)
Dieses Amendement entsprach einer Bestimmung der Wiener Schlußakte v.
15. Mai 1820. Die Debatte, an der sich nur die Abg. Frhr. von Hammer-
stein St. B. 222 und v. Henning St. B. 224 beteiligten, nahm alsbald
eine Wendung, als ob es sich bei diesem Amendement lediglich um die Thron-
folgeaussichten des Hauses Cumberland für das Herzogtum Braunschweig
handelte. Dabei erklärte der Abg. Frhr. v. Hammerstein, er setze voraus,
daß das Amendement aus der Wiener Schlußakte nur in demselben Sinne