III. Bundesrat. Art. 7. 223
wäre, wenn Art. 7 schon die Rechtsverordnungen umfasse, kann ebenfalls
nicht zugegeben werden. Denn durch Art. 48 Abs. 2 ist für die Post ein
besonders umfangreiches Verordnungsrecht eingeräumt worden, bezüglich
dessen es mindestens zweifelhaft ist, ob es ohne die Bestimmung des Art. 48
noch zu dem Begriff der Ausführungsvorschriften, die Art. 7 Ziff. 2 allein
zuläßt, gerechnet werden könnte.
Auch die Tatsache, daß, wie v. Jagemann S. 94 mit Recht bemerkt,
die Praxis der engeren Auslegung des Art. 7 namentlich in neuerer Zeit
meistens Rechnung trägt, und im Bedarfsfalle für eine ausdrückliche Er-
mächtigung Sorge trägt, bedeutet noch keine Anerkennung dieser engeren
Auslegung, sondern zeigt nur das sehr begreifliche Bestreben, eine streitige
Verfassungsfrage nicht ohne Not aufzurollen. Jedesfalls hat der Bundesrat
sich nicht in allen Fällen auf diesen Standpunkt gestellt. Laband (S. 88)
erkennt dies auch an, während er allerdings die meisten der von Arndt
angeführten praktischen Fälle als Beweis für dessen Ansicht nicht gelten läßt;
bezüglich der übrig bleibenden Fälle erklärt er, sie bewiesen nur, daß der
Bundesrat nicht in allen Fällen sich der ihm durch die Verfassung gezogenen
Schranke klar bewußt gewesen sei. Man wird nicht ohne zwingende Not-
wendigkeit ein so auffälliges Ergebnis hinnehmen können, und die hier an-
genommene Erklärung, daß der Bundesrat, ohne auf seinen Anspruch zu
verzichten, in den meisten Fällen es für opportun hält, seine Machtvoll-
kommenheit zum Erlaß von Verordnungen auf eine ausdrückliche Bewilligung
des Reichstags zu stützen, dürfte mindestens ebenso nahe liegen. Zuzugeben
ist nur, daß die Reichsverfassung sich nicht ganz klar ausdrückt, weil mit
dem Wort „Verwaltungsvorschrift“ eine Bezeichnung gewählt ist, die in
dem Sprachgebrauch der Reichsgesetzgebung — von den vorgenannten Aus-
nahmefällen abgesehen — nicht üblich ist und deshalb keine festumrissene
Bedeutung hat. Handelt es sich nun, wie hier, darum, bei einer nicht
völlig klaren Ausdrucksweise des Gesetzes nach dem Willen des Gesetzgebers
zu forschen, so verdienen neben allen anderen in Betracht kommenden Er-
kenntnisquellen die Außerungen des Mannes eine besondere Bedeutung, der
wie kein anderer die Absichten gekannt haben muß, von denen die Reichs-
verfassung bei ihrem Entwurf getragen wurde, des Fürsten Bismarck. In
einem an den Bundesrat gerichteten Schreiben des Fürsten Bismarck v.
19. April 1880, betr. den Anschluß Hamburgs an das Reichsgzollgebiet,
findet sich folgende Stelle (v. Poschinger Fürst B. als Volkswirt 1 S. 279):
„Die Frage, wer darüber zu entscheiden hat, in welchem Umfange eine
Ausschließung des städtischen Gebiets aus der Zollgrenze erforderlich ist,
um dem Zweck der Freihafenstellung zu entsprechen, wird beim Mangel
einer bezüglichen Anordnung im Art. 34 nach den allgemeinen Vorschriften
der Reichsverfassung zu beantworten sein. Der Art. 7 der Verfassung
weist der Entscheidung des Bundesrats unter Nr. 2 zu: Die zur Aus-
führung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften
und Einrichtungen, sofern nicht durch Reichsgesetz etwas anderes bestimmt
ist. Zu den Reichsgesetzen in diesem Sinne gehört auch die Reichsver-
verfassung, zu den zur Ausführung derselben erforderlichen Einrichtungen
auch die Verlegung der Zollgrenze innerhalb des Bundesgebiets in den
durch Art. 33 Abs. 1 und Art. 34 gezogenen Schranken. Ein Zweifel
hierüber kann umso weniger bestehen, als dem Bundesrat inbezug auf