III. Bundesrat. Art. 7. 225
solche Einrichtung materiell nichts anderes dar als eine Rechtsverordnung,
denn die Reichsverwaltung gibt sich hier nicht nur selbst Verhaltungsmaß-
regeln, (vgl. Laband II S. 168) sondern mit einem Schlage und auf die
Dauer wird die Rechtslage für die Gesamtheit der an der „Einrichtung“
interessierten Bevölkerung verändert. Fürst Bismarck hätte vielleicht die
Legitimation des Bundesrats auf Art. 6 des Zollv.-Vertrages stützen können;
dort ist eine spezielle Ermächtigung für den Bundesrat zu solchen Rechts-
akten gegeben. Er hat es nicht getan, offenbar weil er wie Delbrück der
Ansicht war, daß diese Bestimmung durch Art. 33, 34, 7 Ziff. 2 R.V. er-
ledigt ist (vol. Delbrück, der Art. 40 der R.V. S. 46). Art. 34 enthält
zwar einen Hinweis auf diese spätere Veränderung der Rechtslage, aber keine
spezielle Ermächtigung für den Bundesrat, ähnlich wie Art. 42 ff. R.V.
Auch bei letzteren Bestimmungen verwirklicht der Bundesrat — soweit die
Zuständigkeit des Reichs sich erstreckt — nur die in der Verfassung bereits
enthaltenen Grundsätze, wenn er im Wege von Rechtsverordnungen die
Einrichtungen trifft, die dem in der Verfassung vorgestellten Ziele entsprechen.
Wenn es sich nur darum handeln sollte, dem Bundesrat das Recht
zu erteilen, den Behörden zur Ausführung der Reichsgesetze Anweisungen
für den inneren Geschäftsbetrieb zu geben, so würde es dazu überhaupt keiner
besonderen Verfassungsbestimmung bedürfen. Der Bundesrat vertritt die
Verbündeten Regierungen. Die Verbündeten Regierungen stellen für diejenigen
Ressorts, die nicht dem ausschließlichen Befehl des Kaisers unterworfen find,
die höchste Verwaltungsinstanz dar, und nichts ist selbstverständlicher, als
daß die höchste Verwaltungsinstanz allen nachgeordneten Behörden allgemeine
Ausführungsvorschriften für den inneren Geschäftsbetrieb geben kann, und
zwar muß dies, wenn es sich um Reichsbehörden handelt, durch Ver-
mittelung des Reichskanzlers geschehen, dessen Amtsgewalt der ganze Behörden-
apparat des Reichs unterworfen ist; wenn aber die Mitwirkung von Landes-
behörden für die Ausführung von Reichsgesetzen erforderlich ist — wie es
meistens der Fall ist — so sind die Anweisungen des Bundesrats durch
Vermittelung der Landesregierungen zu geben, die den betreffenden Landes-
behörden in höchster Instanz vorgesetzt ist. Diese Befehlsgewalt des
Bundesrats gehört also ohne weiteres zur Dienstpragmatik; etwas anderes
wäre undenkbar und mithin Art. 7 Ziff. 2 bei einer derartigen Auslegung
überhaupt nicht notwendig.
Es bleibt noch übrig, die praktische Seite der Frage zu prüfen.
Nachdem der Bundesrat in einer Reihe von Fällen bereits ohne besondere
reichsgesetzliche Ermächtigung Ausführungsverordnungen erlassen hat, die für
das Publikum unmittelbar Rechte und Pflichten begründet haben, müßte
die Ansicht, daß derartige Verordnungen ungültig seien, dazu führen, daß
mit rückwirkender Kraft diese Rechte und Pflichten als nichtig zu gelten
hätten. Dieses Ergebnis würde von den praktischen Zielen der Rechts-
wissenschaft so sehr abseits liegen, daß man sich nicht ohne die zwingendsten
Gründe einer dahin führenden Auslegung wird anschließen dürfen. Würde
eine klare Vorschrift der Verfassung vorliegen, so müßte man ihre Er-
gebnisse hinnehmen, auch wenn sie noch so unsachgemäß und schädlich
wären und könnte daraus nur ein argumentum de lege ferenda ableiten.
Handelt es sich aber, wie hier, um eine Verfassungsbestimmung, die auf
einem dem Sprachgebrauch der Reichsgesetzgebung sonst nicht eigentümlichen
Damditsch, Deutsche Relchsverfassung. 15