Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

226 III. Bundesrat. Art. 7. 
und deshalb zweifelhaften Ausdrucke beruht, so ist es berechtigt, zu den 
Mitteln der Auslegung auch die praktischen Konsequenzen zu verwenden, 
die sich aus der einen und der anderen Meinung ergeben und daraus einen 
Rückschluß auf die vermutliche Absicht des Gesetzgebers zu ziehen. Nach 
dieser Richtung ist folgendes in Betracht zu ziehen. 
Ausführungsverordnungen, die nicht bloß für den inneren Geschäfts- 
betrieb der Behörden bestimmt sind, entsprechen durchaus dem praktischen 
Bedürfnis. Ohne sie würden die Reichsgesetze mit einer Menge von tat- 
sächlichem Material angefüllt werden, das die Übersicht über die grund- 
legenden Bestimmungen erschwert und den Reichstag mit Kleinarbeit über- 
lastet. Man kann nicht einwenden, daß der Bundesrat sich nur durch das 
Reichsgesetz eine besondere Ermächtigung zum Erlasse von Ausführungs- 
verordnungen geben zu lassen braucht, um gegen die Folgen einer ein- 
schränkenden Auslegung des Art. 7 Ziff. 2 gedeckt zu sein. Ist diese 
Ermächtigung so allgemein gefaßt, wie Art. 7 Ziff. 2 und wird sie schematisch 
in jedem Falle verlangt und vom Reichstag gegeben, so wird allerdings 
praktisch dasselbe Ergebnis erreicht, wie bei der hier vertretenen Auslegung. 
Dann stellt aber dieses ganze Verfahren einen zwecklosen Umweg dar. 
Sollen jedoch die konstitutionellen Rücksichten, die das Motiv für die 
engere Auslegung des Art. 7 bilden, wirkliche Bedeutung erlangen, so muß 
auch mit dem Fall gerechnet werden, daß der Reichstag die Ermächtigung 
entweder versagt oder enger begrenzt, als es dem Art. 7 Ziff. 2 entspricht, 
und es unterliegt dann — von allen politischen, nicht hierher gehörigen 
Erwägungen abgesehen — keinem Zweifel, daß eine zu starke Beschränkung 
des Bundesrats auf diesem Gebiete aus sachlichen, allgemeinen Gründen 
für das Interesse des Ganzen nicht erwünscht sein kann. Denn es handelt 
sich bei diesen Ausführungsvorschriften um eine technische Detailarbeit, für 
die eine so große Körperschaft wie der Reichstag weniger geeignet ist, als 
der sachkundige Beamtenapparat, der dem Bundesrat zur Verfügung steht; 
auch kann eine solche Belastung des Reichstags dazu führen, daß die Zeit 
und Kraft, die der Reichstag zur Beherrschung der das Gesetz leitenden 
Gesichtspunkte braucht, in einer der Bedeutung der Volksvertretung schäd- 
lichen Weise für minder wichtige Dinge in Anspruch genommen wird. 
Konstitutionelle Gefahren liegen in der extensiven Auslegung des Begriffs 
der „Verwaltungsvorschriften“ nicht. Die konstitutionelle Bedeutung der 
Mitwirkung der Volksvertretung bei dem Erlaß der Rechtsvorschriften von 
untergeordneter Bedeutung ist nicht besonders groß. Die wahre Grundlage 
für die Macht der Volksvertretung liegt überhaupt weniger in ihrer Teil- 
nahme an der Gesetzgebung, soweit letztere die Feststellung von Rechtssätzen 
zum Gegenstande hat, als in der Geldbewilligung, und dieses fundamentale 
Recht wird durch die vorliegende Frage überhaupt nicht berührt. Im 
übrigen handelt es sich nicht darum, daß dem Bundesrat schlechthin das 
Recht zugesprochen werden soll, Rechtssätze selbständig zu erlassen, sondern 
es kann stets nur die Ausführung bestehender Reichsgesetze in Frage 
kommen. Es ist Sache des Reichstags, nötigenfalls durch Amendierung, 
in das Reichsgesetz alle diejenigen Bestimmungen einzubeziehen, die an und 
für sich unter den — freilich etwas dehnbaren — Begriff der Ausführungs- 
vorschriften fallen würden, bezüglich deren er aber auf eine Mitwirkung 
nicht verzichten will. Eine ernsthafte Konkurrenz der Befugnisse des Bundes-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.