246 III. Bundesrat. Art. 7.
Verantwortlichkeit nur soweit, daß durch Verwaltungsakte nicht das geltende
Recht verletzt wird, nicht aber erstreckt sich die Verantwortung auf die Zweck-
mäßigkeit der Verwaltungstätigkeit, und infolgedessen bezieht sich auch in
Ansehung der von der Regierung beschlossenen Instruierung der Bundesrats-
stimmen die Verantwortung des Ministeriums dem Landtag gegenüber nur
auf die Gesetzmäßigkeit und nicht auf die Zweckmäßigkeit der den Bundes-
ratsbevollmächtigten erteilten Instruktion. Da nun diese Instruktionen sich
zum größten Teile auf Akte der Reichsgesetzgebung beziehen und durch die
Reichsgesetzgebung das bisherige Recht — Reichsrecht oder Landesrecht —
abgeändert werden kann, so werden Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der
erteilten Instruktion nicht leicht erhoben werden können. Jedoch liegt darin
weder eine konstitutionelle Gefahr noch ein Ergebnis, das als mit dem Geist
der Verfassung im Widerspruch stehend angenommen werden könnte. Denn
der Volkswille und die öffentliche Meinung kommt bei der Reichsgesetzgebung
durch den Reichstag vollauf zum Wort, und man könnte es eher als ver-
fassungswidrig ansehen, wenn durch eine weitere Ausdehnung dieser Ver-
antwortlichkeit der Einfluß des Landtags auf die Reichsgesetzgebung verstärkt
und die Möglichkeit geschaffen wäre, dem Reichstage durch die Landtage der
Einzelstaaten entgegenzuwirken.
IV. Die eigene Verantwortlichkeit der Bundesratsbevollmächtigten.
Die Bundesratsbevollmächtigten find für ihre Beschlüsse außer ihren
Vollmachtgebern niemandem verantwortlich, weil sie nach Instruktionen
stimmen und ihre persönliche Uberzeugung dabei nicht wesentlich ist. Dies
gilt in jedem Falle von der juristischen und im allgemeinen auch von der
politischen Verantwortung. Die letztere ist andererseits ein Moment, das
sich nicht messen und wägen läßt, und es dürfte nicht von der Hand zu
weisen sein, daß es Fälle gibt, in denen — in mehr oder weniger hohem
Maße — auch den Bundesratsbevollmächtigten eine Verantwortung zur
Last fällt. Es ist davon auszugehen, daß die politische Verantwortung
genau soweit reicht als die politische Macht und daß — abgesehen von dem
unverletzlichen und deshalb unverantwortlichen Träger der Krone — im
politischen Leben niemand das dem Umfang seiner Machtvollkommenheit
entsprechende Maß von Verantwortung ablehnen kann. Natürlich bezieht
sich dies nur auf die moralische und politische, nicht auf die juristische Ver-
antwortung; letztere kann nur durch positive gesetzliche Bestimmungen begründet
werden. Nun haben die Bundesratsbevollmächtigten über ihre verfassungs-
mäßige Aufgabe die Stimme ihrer Regierung abzugeben hinaus eine Fülle
von bedeutungsvoller Verwaltungsarbeit zu leisten mit dem Ziele, ihre Re-
gieruug zu informieren und deren Entschlüsse vorzubereiten, also auch nach
ihrer freien ÜUberzeugung zu beeinflußen. Diesem Maße von Einfluß entspricht
genau die Verantwortlichkeit des einzelnen Bundesratsbevollmächtigten für
die Beschlüsse des Bundesrats, und kann der Einfluß im einzelnen Falle
festgestellt werden, so wird der natürliche Lauf des öffentlichen Lebens es
mit sich bringen, daß die politische Verantwortung wirksam wird; vgl. auch
die Ausführungen der Abg. Bachem und Schrader in der Reichstagssitzung
v. 28. Jan. 1902 St. B. 3703, 3704 D.