Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

Eingang. 19 
3. Die Garantie für die Dauer des Bundes. 
Die Reichsverfassung garantiert, daß der Bund, in welchem die deut- 
schen Souveräne sich zusammengeschlossen haben, „ewig" ist. Das Reich 
unterscheidet sich dadurch von allen auf Grund von Staatsverträgen völker- 
rechtlicher Natur eingegangenen Verbindungen, die entweder ausdrücklich 
auf bestimmte Zeit geschlossen sind oder die Kündigung zulassen oder die 
völkerrechtliche Klausel „rebus sic stantibus“ als einen Grund der einseitigen 
Lösung des Verhältnisses mit Notwendigkeit und Selbstverständlichkeit in 
sich tragen. Die einseitige Loslösung eines Bundesstaates oder auch nur 
der Versuch hierzu würde den berufenen Organen des Reichs (Kaiser und 
Bundesrat) die verfassungsmäßige Pflicht auferlegen, gegen das wider- 
strebende Glied mit den Machtmitteln der Bundesexekution einzuschreiten. 
Es kann ferner nicht anerkannt werden, daß das Reich durch allseitige 
Zustimmungen der Verbündeten Regierungen auflösbar sei, eine Ansicht, 
die von v. Jagemann S. 30 vertreten ist. Auch wenn man davon ausgeht, 
daß das Reich nur eine vertragsmäßige Vereinigung darstellt, kann eine 
Verbindung, die nach dem klaren Wortlaut für „ewig“ begründet ist, von 
der Rechtswissenschaft nicht als vergänglich behandelt werden. Der Ver- 
änderung im Wege der Reichsgesetzgebung unterliegen gemäß Art. 78 R.V. 
nur die einzelnen Verfaffungsartikel. Die Frage ist glücklicher Weise, wie 
auch v. Jagemann hervorhebt, ohne praktische Bedeutung. Was die von 
v. Jagemann angedeuteten taktischen Gesichtspunkte anbetrifft, so ist zwar 
deren Gewicht nicht zu verkennen, gegebenenfalls würde aber die Auflösung 
des Reichs, zumal es an all und jeder verfassungsmäßigen Grundlage für 
die Durchführung der Liquidation, Verteilung des Reichsvermögens usw. 
fehlt, von der öffentlichen Meinung kaum anders als ein Staatsstreich 
empfunden werden, und die Frage wird deshalb praktische Bedeutung erst 
dann erlangen können, wenn für die Regierungen bei voller Wahrung ihrer 
moralischen und geschichtlichen Verantwortung ein Staatsstreich das einzige 
Mittel zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ist. 
4. Die Zweckbestimmung des Reichs. 
a) Der Schutz des Bundesgebietes. 
Es ist selbstverständlich, daß das Reich die ihm geltenden Angriffe 
abzuwehren hat. Aber auch jeder nur gegen einen Einzelstaat gerichtete 
Angriff des Auslandes stellt zugleich einen Angriff auf das Bundesgebiet 
dar und erfordert deshalb verfassungsgemäß das Einschreiten des Reichs. 
Selbst wenn es sich nur um eine diplomatische Aktion feindseligen Inhalts 
handeln sollte, die einem der Einzelstaaten vom Ausland droht, wird die 
Angelegenheit das Reich betreffen, da stets die Gefahr vorliegen dürfte, daß 
durch den weiteren Verlauf einer solchen Aktion ein Angriff auf das Bundes- 
gebiet in den Bereich der praktischen Möglichkeit gerückt wird. Aus Art. 11 
N.V ergibt sich die hier entwickelte — unbestrittene — Kompetenz des 
Reichs noch nicht. Art. 11 bestimmt nur, daß der Kaiser, sei es allein, 
sei es unter gewissen Voraussetzungen in Verbindung mit dem Bundesrat 
zuständig ist, das Reich bei den in dieses Gebiet fallenden Angelegenheiten 
zu vertreten. Daß aber der Schutz des Bundesgebiets, also auch der Schutz 
der Einzelstaaten überhaupt zur Zuständigkeit des Reichs gehört, ist eine 
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