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3. Die Garantie für die Dauer des Bundes.
Die Reichsverfassung garantiert, daß der Bund, in welchem die deut-
schen Souveräne sich zusammengeschlossen haben, „ewig" ist. Das Reich
unterscheidet sich dadurch von allen auf Grund von Staatsverträgen völker-
rechtlicher Natur eingegangenen Verbindungen, die entweder ausdrücklich
auf bestimmte Zeit geschlossen sind oder die Kündigung zulassen oder die
völkerrechtliche Klausel „rebus sic stantibus“ als einen Grund der einseitigen
Lösung des Verhältnisses mit Notwendigkeit und Selbstverständlichkeit in
sich tragen. Die einseitige Loslösung eines Bundesstaates oder auch nur
der Versuch hierzu würde den berufenen Organen des Reichs (Kaiser und
Bundesrat) die verfassungsmäßige Pflicht auferlegen, gegen das wider-
strebende Glied mit den Machtmitteln der Bundesexekution einzuschreiten.
Es kann ferner nicht anerkannt werden, daß das Reich durch allseitige
Zustimmungen der Verbündeten Regierungen auflösbar sei, eine Ansicht,
die von v. Jagemann S. 30 vertreten ist. Auch wenn man davon ausgeht,
daß das Reich nur eine vertragsmäßige Vereinigung darstellt, kann eine
Verbindung, die nach dem klaren Wortlaut für „ewig“ begründet ist, von
der Rechtswissenschaft nicht als vergänglich behandelt werden. Der Ver-
änderung im Wege der Reichsgesetzgebung unterliegen gemäß Art. 78 R.V.
nur die einzelnen Verfaffungsartikel. Die Frage ist glücklicher Weise, wie
auch v. Jagemann hervorhebt, ohne praktische Bedeutung. Was die von
v. Jagemann angedeuteten taktischen Gesichtspunkte anbetrifft, so ist zwar
deren Gewicht nicht zu verkennen, gegebenenfalls würde aber die Auflösung
des Reichs, zumal es an all und jeder verfassungsmäßigen Grundlage für
die Durchführung der Liquidation, Verteilung des Reichsvermögens usw.
fehlt, von der öffentlichen Meinung kaum anders als ein Staatsstreich
empfunden werden, und die Frage wird deshalb praktische Bedeutung erst
dann erlangen können, wenn für die Regierungen bei voller Wahrung ihrer
moralischen und geschichtlichen Verantwortung ein Staatsstreich das einzige
Mittel zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ist.
4. Die Zweckbestimmung des Reichs.
a) Der Schutz des Bundesgebietes.
Es ist selbstverständlich, daß das Reich die ihm geltenden Angriffe
abzuwehren hat. Aber auch jeder nur gegen einen Einzelstaat gerichtete
Angriff des Auslandes stellt zugleich einen Angriff auf das Bundesgebiet
dar und erfordert deshalb verfassungsgemäß das Einschreiten des Reichs.
Selbst wenn es sich nur um eine diplomatische Aktion feindseligen Inhalts
handeln sollte, die einem der Einzelstaaten vom Ausland droht, wird die
Angelegenheit das Reich betreffen, da stets die Gefahr vorliegen dürfte, daß
durch den weiteren Verlauf einer solchen Aktion ein Angriff auf das Bundes-
gebiet in den Bereich der praktischen Möglichkeit gerückt wird. Aus Art. 11
N.V ergibt sich die hier entwickelte — unbestrittene — Kompetenz des
Reichs noch nicht. Art. 11 bestimmt nur, daß der Kaiser, sei es allein,
sei es unter gewissen Voraussetzungen in Verbindung mit dem Bundesrat
zuständig ist, das Reich bei den in dieses Gebiet fallenden Angelegenheiten
zu vertreten. Daß aber der Schutz des Bundesgebiets, also auch der Schutz
der Einzelstaaten überhaupt zur Zuständigkeit des Reichs gehört, ist eine
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