IV. Präsidium. Art. 11. 267
C. Staatsverträge des Reichs.
I. Die Machtvollkommenheit des Kaisers zum Abschluß von Bündnissen und anderen
Verträgen mit fremden Staaten.
II. Die Befugnis der Einzelstaaten zum Abschluß von Staatsverträgen.
III. Die Mitwirkung des Bundesrats und Reichstags bei Staatsverträgen des Reichs.
1. Das Sachgebiet ihrer Mitwirkung.
2. Die Zustimmung des Bundesrats und die Genehmigung des Reichstags.
IV. Die Ratifikation der Staatsverträge.
V. Die Verkündung der Staatsverträge.
VI. Die Ausführung der Staatsverträge.
VII. Die Aufhebung der Staatsverträge.
A. Tie staatsrechtliche Stellung des Raisers.
I. Die Sonveränetät des Kaisers.
Für die Frage, wem im Reiche die höchste Gewalt zusteht, enthält die
Reichsverfassung keine zweifelsfreie Antwort. Die bekannte Äußerung des
Fürsten Bismarck (St. B. der Reichstagsfitzung v. 19. April 1871 S. 299):
„Die Souveränetät ruht nicht beim Kaiser, sie ruht bei der Gesamt-
heit der Verbündeten Regierungen“
widerspricht zwar weder der staatsrechtlichen noch der politischen Lage, aber
die Machtverteilung im Reiche ist zu verwickelt, als daß durch ein knappes
Schlagwort alle Seiten des Verhältnisfses richtig beleuchtet werden könnten.
Was die politische Seite anbetrifft, so unterliegt es keinem Zweifel, daß
der Bundesrat im Reiche ein gewaltiger Machtfaktor ist. Er ist in An-
sehung der Gesetzgebung nur durch den Reichstag beschränkt und dabei im
wesentlichen mit den gleichen Rechten ausgestattet wie die Volksvertretung.
Außerdem bildet er für viele und wichtige Aufgaben des Reichs die höchste
Verwaltungsinstanz. Zur Charakterifierung seiner staatsrechtlichen Stellung
ist besonders bemerkenswert, daß — wie sich aus der für den Aufbau der
Reichsverfassung grundlegenden, namentlich in der Fassung des Eingangs
der Verfaffung zum Ausdruck gekommenen föderativen Idee ergibt — dem
Bundesrat alle diejenigen Funktionen und Machtbefugnisse zufallen, die nicht
durch pofitive Bestimmungen der Reichsverfassung oder der sonstigen Reichs-
gesetzgebung anderen Organen des Reichs übertragen sind; allerdings ist dies
mehr staatsrechtlich als politisch von Bedeutung, weil der unverteilt ge-
bliebene Rest von Befugnissen nicht allzugroß ist. Alles dies betrifft die
quantitative Seite seiner Befugnisse. Nach der gualitativen Seite ergibt
sich die Souveränetät der vom Bundesrat vertretenen Verbündeten Regierungen
daraus, daß sie in Ansehung ihrer Funktionen im Reiche von niemand ab-
hängig, niemandes Willen unterworfen find und ihre Rechte lediglich aus
der ihnen durch die Verfassung selbst eingeräumten Stellung ableiten.
Diese ihre Stellung verhindert es, daß das Reich als Monarchie be-
zeichnet werden kann. Andererseits kann dem Kaiser nicht die Souveränetät
abgesprochen werden. Ganz abgesehen von der Personen-Identität mit
dem König von Preußen und der sich daraus ergebenden Stellung im
Bundesrat, abgesehen von dem Gewicht der 17 Stimmen im Bundesrat,
abgesehen von dem Veto Preußens in Angelegenheiten des Landheeres, der
Marine, der Zölle und indirekten Steuern nach Art. 5 Abs. 2 und Art. 37