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Bestimmung, die ausdrücklich nur in der Einleitung kundgegeben ist, wenn-
gleich sie unter politischen Gesichtspunkten — wie manche anderen Vor-
schriften der Verfassung — selbstverständlich ist.
b) Der Schutz des innerhalb des Bundesgebietes gültigen Rechts.
Wie das Bundesgebiet steht das innerhalb des Bundesgebiets geltende
Recht unter dem Schutze des Reichs. Natürlich ist es in erster Reihe
Sache der Gerichte der Einzelstaaten, und soweit der ordentliche Rechtsweg
nicht zugelassen ist, Sache der zuständigen Verwaltungsbehörden und be-
sonderen Behörden, das in den Einzelstaaten geltende Recht durchzuführen,
und für den Fall einer Justizverweigerung ist der in dem Eingang der
Reichsverfassung liegende Rechtssatz durch Art. 77 R.V. näher ausgeführt.
Handelt es sich um Fragen des Staats= und Verfassungsrechts, so ist nach
Art. 76 R.., wenn die dort bezeichneten Voraussetzungen gegeben sind,
der Bundesrat zur Entscheidung berufen, natürlich nur in dem Sinne, daß
er das geltende Recht zu finden und anzuwenden hat. Ist die Verfassung
eines der Bundesstaaten durch die hochverräterische Handlung einzelner
Personen verletzt oder bedroht, so ist es die Aufgabe der ordentlichen Ge-
richte und der anderen zur Strafverfolgung und Strafvollstreckung berufenen
Behörden nach Maßgabe der Vorschriften des Strafgesetzbuchs und der
Strafprozeßordnung einzuschreiten. Handelt es sich darum, die Verfassung
eines Einzelstaats auf dem landesgesetzlich vorgeschriebenen Wege zu ändern,
so ist dies eine innere Angelegenheit des betreffenden Einzelstaats, und das
Reich ist zu irgend welcher Mit= oder Gegenwirkung nicht berufen. Anders
liegt der Fall, wenn die Verfassung eines Einzelstaats durch umfassende Volks-
bewegungen oder durch ein einseitiges Borgehen von Staatsorganen in
Frage gestellt werden sollte, wenn also die Gefahr besteht, daß die Ver-
fassung durch eine revolutionäre Aktion oder durch einen Staatsstreich ge-
ändert wird, ohne daß der für Verfassungsänderungen in der Verfassung
vorgeschriebene Weg eingeschlagen wird. Derartigen Kräften und Volks-
bewegungen gegenüber ist die ordentliche Rechtspflege machtlos. Aber es
ist dann die Aufgabe des Reichs, zum Schutze des innerhalb der Einzel-
staaten geltenden Verfassungsrechts einzuschreiten, nicht bloß in dem Sinne,
daß der Bundesrat auf Grund des Art. 76 R.V. einen Rechtsspruch fällt,
sondern auch dadurch, daß das Reich gemäß der ihm durch den Eingang
der Reichsverfassung gegebenen Legitimation mit allen erforderlichen Macht-
mitteln das bedrohte Verfassungsrecht aufrecht erhält oder wiederherstellt.
Eine ausdrückliche Anerkennung hat der Satz, daß durch den Eingang
der Reichsverfassung das geltende Verfassungsrecht der Einzelstaaten gegen
unrechtmäßige Anderung sichergestellt ist, durch den Bundesrat gefunden,
als i. J. 1870 aus Mecklenburg eine Petition an den Bundesrat gerichtet
wurde, daß in jedem Bundesstaate die Gesetzgebung und die Feststellung des
Budgets unter Mitwirkung einer aus Wahlen hervorgegangenen Volks-
vertretung ausgeübt werden sollte. Der Bundesrat erteilte unter dem
5. Juli 1870 eine abschlägige Antwort, deren Gründe dahin gingen, daß
„die infolge des schiedsgerichtlichen Urteils vom 11. Sept. 1850 wieder
hergestellte landständige Verfassung zur Zeit der Einrichtung des Nord-
deutschen Bundes in anerkannter Wirksamkeit bestand und daß deshalb das
auf diese Verfassung sich gründende Recht als das gültige Verfassungsrecht