272 IV. Präsidimn. Art. 11.
dern sie können im Wege der preußischen Gesetzgebung jederzeit abgeändert
werden. «
Die Bestimmung des Art. 54 Abs. 2 der preuß. Verfassungsurkunde
gilt für den Kaiser nicht. Danach leistet der König von Preußen in Gegen-
wart der vereinigten Kammern des Landtages das eidliche Gelöbnis, die
Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in über-
einstimmung mit der Verfafsung und den Gesetzen zu regieren. Eine
entsprechende Bestimmung fehlt für das Reich und eine analoge Anwendung
ist nicht zulässig; vgl. Laband 1 S. 202 f., Meyer § 127 A. 4 S. 440, Zorn!
S. 182.
Eine Zivilliste besteht für den Kaiser nicht. Durch den Reichsetat wird
dem Kaiser lediglich ein Dispofitionsfonds für Gnadenbewilligungen über-
lassen.
Es wird angenommen, daß der Kaiser weder Reichsorden noch den
Reichsadel verleihen darf, weil es an einer ausdrücklichen Bestimmung
hierüber in der Reichsverfassung und in der sonstigen Reichsgesetzgebung
fehlt und weil es sich dabei um eine Prärogative der Bundesfürsten handelt,
die durch die gleichzeitige Geltendmachung für die Zwecke des Reichs in
ihrem Werte geschmälert werden würde, während eine solche Beeinträch-
tigung nicht im Sinne der Verträge liegt, auf Grund deren das Reich
errichtet ist — vgl. v. Seydel S. 158, Zorn I S. 183, Arndt S. 83,
v. Rönne 1 S. 227 — anderer Ansicht Bornhak im Arch. f. öff. R. Bd. VIII
S. 477 ff. Alle nominell vom Kaiser verliehenen Orden und Standes-
erhöhungen find daher so anzusehen, als ob sie der König von Preußen
verliehen hätte. Sie dürfen deshalb z. B. in Bayern nur mit Genehmigung
der bayrischen Regierung geführt werden. Für die durch den Kaiserlichen
Erlaß v. 21. Mai 1871 R. G. Bl. S. 111 angeordnete Stiftung einer Kriegs-
denkmünze für die bewaffnete Macht zur Erinnerung an den Krieg mit
Frankreich von 1870 und 1871 ist durch das Reichsgesetz v. 21. Mai 1871
R.G.Bl. S. 108 anerkannt, daß die Kosten der Anfertigung dieser Ehren-
zeichen vom Reiche zu tragen find; vgl. v. Rönne 1 S. 227. Man kann
davon ausgehen, daß die für ganze große Gruppen der Armee eingeführten
Denkmünzen und sonstigen Erinnerungszeichen mit Orden im engeren
Sinne des Wortes, die stets eine einzeln verliehene persönliche Auszeich-
nung darstellen, nicht identisch find und daß die Stiftung solcher Denk-
münzen unter die dem Kaiser durch Art. 68 R.V. übertragene Kommando-
gewalt fällt.
Der Kaiser hat in Reichsangelegenheiten das Recht der Begnadigung;
v#gl. Art. 17 IVe.
Dem Kaiser kommt im ganzen Gebiete des Reichs derselbe erhöhte
strafrechtliche Schutz wegen Mordes oder Beleidigung zu, den die anderen
Bundesfürsten nur innerhalb ihres eigenen Staates bez. ihren eigenen Landes-
kindern gegenüber genießen; 88 80, 94 Str.G. B.
IV. Die Regeutschaft.
Üüber den Fall der Regentschaft enthält die Reichsverfassung keine
Bestimmung. Die preuß. Verfassungsurkunde schreibt nach dieser Richtung
folgendes vor: