IV. Präsidium. Art. 11. 283
dieses Rechts angeknüpft und im Anschluß daran eine Vorschrift über be-
sondere Funktionen des Bayerischen Gesandten — die Vertretungsbefugnis
für die Bundesgesandten — gegeben worden.
Diese Vertretungsbefugnis dürfte nicht von erheblicher praktischer Be-
deutung sein, selbst wenn Bayern einmal von seinem Recht, Gesandte im
Auslande zu bestellen, einen größeren Gebrauch machen sollte, als es bisher
geschehen ist. Denn der Begriff der „Verhinderungsfälle“ ist unbestimmt.
Der Abg. Windthorst fragte mit Bezug hierauf in der Reichstagssitzung v.
5. Dez. 1870 St.B. 80: „Ist das der ordinäre Gesandte oder ist das auch
der eventuell beauftragte Legationsrat oder Sekretär ?“ — Eine bestimmte
Antwort hierauf wurde damals seitens der Regierung nicht gegeben. Der
Ansicht v. Seydels S. 160, daß nach dem Wortlaut nur der Gesandte ge-
meint sein könne und daß sonst die ganze Bestimmung nahezu zwecklos
wäre, ist nicht zuzustimmen. Der Wortlaut ist für diese Frage nicht maß-
gebend, weil der Gesandte nicht nur ein einzelner Beamter ist, sondern in
seiner Person eine ganze Behörde bildet, wie etwa ein Minister, ein Regie-
rungspräsident oder sonst eine Behörde, die nicht aus einem Kollegium,
sondern aus einem Einzelbeamten besteht, im Verhältnis zu welchem alle
anderen bei dieser Behörde angestellten Beamten nur Hülfsarbeiter find.
Unter diesem Gesichtspunkt ist es nicht ausgeschlossen, daß bei dem Wort
„Gesandter“ in der genannten Bestimmung nicht an dessen Person, sondern
an die Behörde, die er bildet, gedacht war, und in diesem Falle würde die
Behinderung erst eintreten, wenn alle mit der Vertretungsbefugnis aus-
gestatteten Beamten der Behörde (Legationsräte und Sekretäre) ebenfalls
verhindert sein sollten. Es ist anzunehmen, daß es Sache des freien Über-
einkommens der beiden beteiligten Souveräne, des Kaisers und des Königs
von Bayern ist, festzustellen, ob ein Vertretungsfall vorliegt. Doch ist
zweifellos durch die Bestimmung des Schlußprotokolls ausgeschlossen, daß
der Kaiser den Gesandten eines anderen Bundesstaates unter übergehung
des Bayerischen Gesandten mit der Vertretung des Reichsgesandten beauftragt;
vgl. Laband III S. 6, Arndt S. 719, Meyer S. 702.
Für die Abgrenzung des Geschäftskreises zwischen den Reichsgesandten
und den Gesandten der Einzelstaaten bietet die oben angeführte Vorschrift
der Ziffer VIII des Bayerischen Schlußprotokolls einen gewissen Anhalt,
insofern als die Bestimmung über die Pauschalentschädigung Bayerns auf
die „Erwägung“ gestützt ist, daß „an denjenigen Orten, an welchen Bayern
eigene Gesandtschaften unterhalten wird, die Vertretung der Bayerischen
Angelegenheiten den Bundesgesandten nicht obliegt". Man kann hieraus
den Schluß ziehen, daß den Gesandten der Einzelstaaten die Vertretung in
deren speziellen, nicht allen oder mehreren Bundesstaaten gemeinsamen An-
zelegenhesten obliegt. Der Geschäftskreis der Reichsgesandten erstreckt sich
zwar auf alle Zweige des auswärtigen Dienstes und umfaßt, wenn die
Reichsgesandten nicht in Konkurrenz mit den Gesandten der Einzelstaaten
stehen, nicht nur alle Reichsangelegenheiten, sondern auch die besonderen
Angelegenheiten jedes einzelnen Bundesstaates und die Wahrnehmung der
Interessen aller Reichsangehörigen dem Auslande gegenüber. Ist aber an
demselben Hofe neben dem Reichsgesandten gleichzeitig der Gesandte eines
Bundesstaates beglaubigt, so tritt eine Teilung der Geschäfte in dem Sinne
ein, daß der Landesgesandte zu der Vertretung der besonderen Angelegenheiten