Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

IV. Präsidium. Art. 11. 285 
mündlichen, zur richtigen Stunde und an der richtigen Stelle vorgetragenen 
Plädoyer des Gesandten; vgl. auch den bei v. Poschinger Aktenstücke I S. 275 
abgedruckten Zirkular- Erlaß des Fürsten Bismarck an die preußischen Ge- 
sandten bei den deutschen Höfen v. 27. Febr. 1878, aus dem hervorgeht, 
daß die preußische Regierung sich der Mitwirkung der Gesandten z. B. 
dann bedient, wenn es ihr erwünscht ist, in wichtigen Fragen, noch ehe sie 
im Bundesrat einen förmlichen Antrag stellt, die Stimmung der anderen 
Regierungen zu erfahren. 
Die Landesgesandten sind Landesbeamte, die Reichsgesandten ebenso 
wie die Beamten des Auswärtigen Amts Reichsbeamte und das Reichs- 
beamtengesetz findet auf sie Anwendung. Die Beglaubigung und In- 
struierung der Landesgesandten ist Sache ihres Souveräns, die Beglaubigung 
und Instruierung der Reichsgesandten ist Sache des Kaisers. Eingeschlossen 
ist hierbei das Recht, den Rang des Gesandten zu bestimmen und ihn 
nötigenfalls abzuberufen, und zwar nicht nur den Gesandten persönlich, 
sondern überhaupt die diplomatischen Beziehungen zu einem ausländischen 
Staate abzubrechen. 
Das Wort „Gesandter“ im Art. 11 ist wie in den vorstehenden Aus- 
führungen als allgemeiner, die verschiedenen Rangklassen umfassender Begriff 
gebraucht. Nach den zwischen den europäischen Großmächten geschlossenen 
Konventionen von Paris v. 19. März 1815 und von Aachen v. 21. Nov. 
1818 (Beilage 17 der Wiener Kongreßakte) zerfallen die Gesandten in 
folgende Rangklassen: 
1. Botschafter (Ambassadeurs), die von den Staatsoberhäuptern unmittel- 
bar beglaubigt werden und den „caractere représentatif“ besitzen, 
d. h. als persönliche Stellvertreter ihres Souveräns gelten; Botschafter 
wechselt Deutschland z. Z. mit England, Frankreich, Italien, Osterreich- 
Ungarn, Rußland, Spanien, Türkei, den Vereinigten Staaten und 
Japan; 
2. Außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister (Envoyés ou 
Ministres plénipotentiaires), die zwar auch vom Staatsoberhaupt 
unmittelbar beglaubigt werden, aber nicht den caractere représentatif 
haben; 
3. Ministerrefidenten, die im Range den Gesandten nachstehen; 
4. Geschäftsträger (Chargés d'affaires), die nur bei den Ministern der 
auswärtigen Mächte beglaubigt sind; 
vgl. Laband III S. 2 ff., Zorn II S. 424 ff., v. Rönne II 2 S. 291, Arndt 
S. 715 ff. 
V. Sonstige Rechte des Kaisers. 
Art. 11 bezeichnet die Befugnisse der kaiserlichen Gewalt nicht er- 
schöpfend. Der Kaiser verfügt auf Grund der ihm durch Art. 15 R.V. 
übertragenen Funktion, den Reichskanzler zu ernennen und zu entlassen, 
über den ganzen Behördenapparat des Reichs und bestimmt damit auf dem 
Gebiete der Verwaltung die Politik des Reichs. Auch die anderen Reichs- 
beamten werden vom Kaiser ernannt und entlassen (Art. 18 R.V.). Dem 
Kaiser stehen ferner auf Grund der ihm durch Art. 17 verliehenen Befugnis, 
die Ausführung der Reichsgesetze zu überwachen, den Einzelstaaten gegen- 
über, soweit sie an der Ausführung beteiligt sind — und dies ist in
	        
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