288 IV. Präsidium. Art. 11.
tischen Vermittelung überlassen bleiben müssen. Andererseits hat die Konferenz
eine Formel, die geeignet gewesen wäre, zwischen Rechts- und Interessen-
fragen zu unterscheiden, nicht finden können, wobei auch die Verschieden-
artigkeit des in den in Betracht kommenden Staaten bestehenden Rechts eine
Rolle spielte. Eine weitere Ausnahme von der Schiedsgerichtsbarkeit sollte
für die geringfügigen Sachen gemacht werden, zu deren Bedeutung das
langwierige und kostspielige Verfahren vor einem Schiedsgerichtshofe nicht
mehr im richtigen Verhältnisse steht; auch in der Formulierung dieser Aus-
nahmefälle lag eine ungelöste Schwierigkeit. Dagegen ist die Schiedsgerichts-
barkeit als gangbarer Weg im Prinzip auch von Deutschland anerkannt
für Rechtsfragen und in erster Reihe für Fragen der Auslegung oder der
Anwendung internationaler Vereinbarungen, ferner für Streitfälle bei der
Eintreibung von Vertragsschulden, die bei der Regierung eines Landes von
der Regierung eines anderen Landes für dessen Angehörige eingefordert
werden. Demgemäß hat Deutschland mit England und den Vereinigten
Staaten zwei obligatorische permanente Schiedsverträge geschlossen, die sich
auf alle Streitfragen juristischer Art und auf die Auslegung von Staats-
verträgen beziehen. Der Vertrag mit den Vereinigten Staaten ist übrigens
noch nicht in Kraft getreten. Ferner ist in die Handelsverträge der neueren
Zeit und in den Weltpostvereinsvertrag die obligatorische Schiedsklausel
aufgenommen. Der Keaiser kann nicht nur selbständig auf Grund des Art. 11
Abs. 1 R.V. Schiedsverträge solcher Art schließen, sondern er hat auf Grund
derselben Vorschrift auch das Recht, nach freiem Ermessen zu bestimmen, in
welchen Fällen das Schiedsgericht angerufen werden soll, d. h. die Frage
zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für den Eintritt der vertragsmäßigen
Verpflichtung zur Anrufung des Schiedsgerichtshofes im einzelnen Falle
gegeben sind oder nicht.
Auch bezüglich der Verträge, für deren Abschluß der Kaiser an die
Mitwirkung des Bundesrats und Reichstags gebunden ist, steht nur dem
Kaiser das Recht zu, die Verhandlungen mit den auswärtigen Regierungen
einzuleiten, die Vertreter des Reichs dafür zu bestellen und mit Instruktionen
zu versehen; ebenso Laband II S. 140. Nach Laband a. a. O. soll übrigens
tatsächlich die übung bestehen, die Genehmigung des Bundesrats schon zur
Eröffnung der Verhandlungen einzuholen, deren Regelung zur Kompetenz
des Bundesrats gehört. Aber einen verfassungsmäßigen Anspruch hat der
Bundesrat hierauf nicht, da die durch Art. 11 Abs. 3 bestimmte Beschrän-
kung der kaiserlichen Machtvollkommenheit sich nur auf den Abschluß und
nicht auf die Vorbereitung der Verträge bezieht. Dies hat der Staatssekretär
des Reichsschatzamts Frhr. v. Stengel in der Reichstagssitzung v. 3. Mai
1904 St. B. 2617 A bestätigt (vgl. oben B1 S. 278). Daß der Reichstag,
von besonderen Ausnahmefällen abgesehen, erst nachträglich zugezogen wird,
entspricht ebenso der staatsrechtlichen Lage wie der tatsächlichen Praxis.
Eine Ausnahme von der Regel, daß der Kaiser bezüglich der Vor-
verhandlungen für Staatsverträge des Reichs unbeschränkt ist, besteht für
folgende Fälle:
1. Im Schlußprotokoll des Zollv.-Vertr. v. 8. Juli 1867 ist zum
Art. 8 § 6 (B.G. Bl. S. 108) folgendes bestimmt:
„Preußen wird, unbeschadet seiner ausschließlichen Berechtigung, im
Namen des Vereins Handels= und Schiffahrtsverträge mit fremden