Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

294 IV. Präfidium. Art. 11. 
und Samoa und den Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag 
mit Zanzibar (R.G. Bl. S. 837). In beiden Fällen find Bestimmungen 
von Reichsverträgen, welche die gesetzgeberische Sanktion erlangt hatten, 
durch Gesetze abgeändert worden, ohne daß die diese Anderungen bedingen- 
den neuen Reichsverträge den gesetzgebenden Körperschaften zur Genehmigung 
vorgelegt worden find. Nach Auffassung des H. Reichskanzlers und der 
Verbündeten Regierungen bedarf deshalb nur das vorgelegte Gesetz der 
Zustimmung des Reichstags, nicht aber die Generalakte über den Alge- 
ciras-Vertrag als solche, die lediglich zur Erläuterung und Kenntnisnahme 
mitgeteilt ist und die m. E. deshalb nicht zur Abstimmung gelangen kann.“ 
Die Verfafsungsmäßigkeit dieses Standpunktes kann nicht zweifelhaft 
sein. Wenn die Reichsverwaltung den nach Art. 11 Abs. 3 genehmigungs- 
pflichtigen Teil des Vertrages von dem übrigen Inhalt des Vertrages zu 
trennen in der Lage ist, so hat sie in Ansehung des Restes der Vertrags- 
bestimmungen freie Hand. Dies ergibt sich aus der Klausel „insoweit“; 
vgl. auch Zorn in der D.Jur. Zeit. 1907 Sp. 90 ff. 
Nicht so unbedenklich ist das Verfahren, das die Reichsverwaltung in 
früherer Zeit bei folgendem, ebenfalls die Frage der Genehmigungspflicht 
des Vertrages betreffenden Falle eingeschlagen hat. Die Reichsverwaltung 
hatte es abgelehnt, das mit Amerika getroffene Meistbegünstigungs -Abkommen 
vom Juli 1900 dem Reichstage vorzulegen, weil es nur dem faktisch bereits 
bestehenden Zustande entsprach. Man wird dies mit Rücksicht auf den Sinn 
des Art. 11 Abs. 3 rechtfertigen können, weil bei einem Handelsvertrage, 
der nur den tatsächlich schon vorhandenen Zustand bestätigt — wenigstens 
soweit es sich um die von Deutschland zu machenden Zugeständnisse handelt — 
nicht eigentlich ein Eingriff in die Zoll- und Handelsgesetzgebung des Reichs 
vorliegt, sondern nur eine Klarstellung dessen, was auch schon bisher gegolten 
hat, also eine authentische Interpretation. Im Hinblick auf den Wortlaut 
des 3. Absatzes des Art. 11 ist die Frage aber zweifelhaft; vgl. die Er- 
klärung des Staatssekretärs des Innern Graf Posadowsky-Wehner in der 
Reichstagssitzung v. 15. Jan. 1902 St. B. 7322 D. üÜbrigens find die 
Handelsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika später durch 
Vertrag und Gesetz geregelt worden (R.G.Bl. 1906 S. 355, 357; 1907 
S. 305). 
Es gilt in Ansehung der Mitwirkung des Bundesrats und Reichstags 
für die Verträge dieselbe Regel wie für Gesetze und Verordnungen. Die 
Reichsverwaltung ist stets berechtigt, über ihre verfassungsmäßigen Pflichten 
hinaus den Reichstag zur Mitwirkung heranzuziehen und ihm Verträge zur 
Genehmigung vorzulegen, auch in Fällen, in denen zum Vertragsschluß die 
eigene Machtvollkommenheit der Reichsverwaltung ausreicht, ebenso wie 
Materien, die vom Bundesrat oder dem an seiner Stelle zuständigen Organ 
im Wege der Verordnung erledigt werden könnten, durch Einbringung einer 
entsprechenden Vorlage beim Reichstage vom Bundesrat freiwillig zum 
Gegenstande der Gesetzgebung gemacht werden können; vgl. Art. 5 A 4 
S. 184 f. Hierin liegt für die Reichsverwaltung der Weg, die politische 
Verantwortung auf eine größere Zahl von Schultern zu übertragen. 
Dem gleichen Zweck dient es, wenn die Reichsverwaltung, wie es z. B. 
bei dem Zolltarifgesetz v. 25. Dez. 1902 R.G.Bl. S. 303 geschehen ist, schon 
von vornherein für die Vertragsverhandlungen eine freiwillige Beschränkung
	        
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