Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

IV. Präsidium. Art. 11. 301 
aber nicht selbst Vertragschließender ist, sondern nur das Recht hat, einen 
Vertrag zu genehmigen, hat damit nicht das Recht, die Vertragsurkunde 
auch selbst abzuändern. Der Reichstag kann hiernach nur den Vertrag 
genehmigen oder ablehnen.“ 
Im übrigen ist zu dem Begriff der Genehmigung und der Zustimmung 
im Sinne des Art. 11 Abs. 8 noch folgendes zu bemerken: Wie bereits 
ausgeführt, besteht in Ansehung der Legitimation der Reichsverwaltung dem 
Auslande gegenüber kein Unterschied zwischen der Zustimmung des Bundes- 
rats“, die zum Abschluß des Vertrages erforderlich ist, und der „Genehmi- 
gung des Reichstags“, die zur Gültigkeit des Vertrages notwendig ist, und 
die Reichsverwaltung ist durch das eine Erfordernis so wenig wie durch 
das andere dem Auslande gegenüber eingeschränkt. Andererseits spricht die 
Verschiedenheit des Ausdrucks für eine Verschiedenheit der Funktionen der 
beiden Körperschaften. Wenn diese Unterscheidung nicht in der Stellung 
gegenüber dem Auslande liegen kann, so ist anzunehmen, daß fie in der 
konstitutionellen Stellung zur Reichsverwaltung begründet ist, und es ist 
nicht unwahrscheinlich, daß gerade in dem vorerwähnten Punkte der Beein- 
flufsung des Inhalts der Verträge der Grund für die Verschiedenheit des 
gewählten Ausdrucks liegt, wenn auch aus dem Wortlaut keine exakte Stütze 
für diese Annahme sich ergibt. Der Reichstag kann die Verträge nur an- 
nehmen oder ablehnen. Etwas anderes kann freilich auch der Bundesrat 
nicht tun. Denn wenn man sein Zustimmungsrecht anders auslegen wollte, 
so würde daraus ebenfalls eine unzulässige Einschränkung der verfassungs- 
mäßigen Prärogative des Kaisers zur ausschließlichen Initiative für den 
Abschluß von Staatsverträgen sich ergeben. Dagegen hat es den Anschein, 
als ob man die nachträgliche Zuziehung des Reichstags als die Regel, eine 
vorherige Fühlung mit dem Bundesrat bei den Vertragsverhandlungen aber 
ebenfalls als die Regel bei der Annahme dieser Verfassungsbestimmung in 
Aussicht genommen hätte. Innere Gründe sprechen dafür, daß für den 
Bundesrat ein gewisser Einfluß auch auf den Gang der Vorverhandlungen 
nicht ausgeschlossen werden sollte; daher soll er vor dem Abschluß zu- 
stimmen im Gegensatz zum Reichstage, bezüglich dessen nur bestimmt ist, 
daß zur Vermeidung der Ungültigkeit des Vertrages seine Genehmigung 
erforderlich ist. Eine gewisse Bestätigung hierfür ergibt sich aus nachstehen- 
der Außerung des Reichskanzlers Fürst Bülow, in der für die geschäftliche 
Behandlung der Staatsverträge die gegensätzliche Stellung der Verbündeten 
Regierungen (nicht nur der Reichsverwaltung) zum Reichstage hervorgehoben 
ist; der Reichskanzler erklärte in der Reichstagssitzung v. 21. Okt. 1902 
St. B. 5834: 
„Es macht einen großen Unterschied, ob es sich handelt um einen 
Akt der Gesetzgebung, der seine Rückwirkung nur ausübt auf die Ver- 
hältnisse innerhalb des Reichs oder ob es sich handelt um Maßregeln, 
die ihren Schwerpunkt auf internationalem Gebiet haben. In letzterer 
Beziehung, wo es sich um die Rücksichten auf das Ausland handelt, 
müssen die Verbündeten Regierungen das größerk Maß von Autorität 
für sich in Anspruch nehmen. Denn sie wissen genau, welche Rück- 
wirkungen diese oder jene Maßregel haben wird auf unsere Beziehungen 
zum Auslande.“
	        
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