Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

IV. Präsidium. Art. 11. 303 
B. G. Bl. S. 355 ihre Staatsangehörigkeit verloren haben, sich nicht auf 
die Verträge berufen können, die das Deutsche Reich mit einigen fremden 
Staaten wegen der Übernahme solcher Staatsangehörigen geschlossen hat, 
die sich in dem Gebiete des fremden Staates aufhalten, ohne daselbst Heimats- 
rechte erworben zu haben. In der Begründung der Entscheidung ist bemerkt, 
daß Verträge, die Gesetzeskraft nach Maßgabe des Art. 11 Abs. 3 nicht er- 
halten haben — die infolgedessen auch nicht verkündet sind — an einem 
durch Reichsgesetz geschaffenen Rechtszustande nichts ändern können, daß sie 
zwar für die vertragschließenden Staaten völkerrechtliche Verbindlichkeiten 
begründen, daß aber die Untertanen keine Ansprüche daraus herleiten können, 
sondern daß es für sie bei der Geltung des Reichsgesetzes bewendet. 
Die Verkündung erfolgt durch einen Abdruck des Staatsvertrages im 
Reichsgesetzblatt oder auch — bei minder wichtigen Verträgen — in einem 
anderen amtlichen Blatt. Die letztere Verkündungsart ist von Laband II 
S. 120, 152 A. 1, v. Seydel S. 166, Zorn I S. 512 A. 36 u. a. als un- 
zulässig unter Berufung auf Art. 2 R.V. bezeichnet. Hier wird ebenso wie 
für Verordnungen diese Ansicht nicht als richtig anerkannt. Es ist nicht 
notwendig, für die Verkündung von Staatsverträgen Art. 2 R.V. anzu- 
wenden, denn diese Bestimmung bezieht sich (vgl. oben S. 37, 55) nur auf 
Reichsgesetze im formellen Sinne, d. h. auf Vorschriften, die gemäß Art. 5 
R.V. im Wege der Gesetzgebung zustande gekommen find, und Zweckmäßig- 
keitsgründe sprechen gegen die Verwendung des Reichsgesetzblatts für die Ver- 
kündung minder wichtiger Staatsverträge, da hierdurch eine die Übersichtlich- 
keit gefährdende Überlastung des Reichsgesetzblatts herbeigeführt wird. Die 
Notwendigkeit der Verkündung folgt nicht aus Art. 2 R.V., sondern mangels 
einer für Staatsverträge des Reichs erlassenen besonderen Bestimmung aus dem 
allgemeinen Grundsatz, daß Rechtsvorschriften, um befolgt werden zu können, 
dem Untertanen bekannt sein müssen. Es ist deshalb auch nicht notwendig, die 
Form der Verkündung auf Art. 2 R.V. zu stützen, sondern es genügt, wenn der 
Reichskanzler für eine ausreichende Bekanntmachung der von den Untertanen 
zu befolgenden Vorschriften der Staatsverträge Sorge trägt. Seine Ver- 
antwortlichkeit erstreckt sich darauf, daß er für diese Bekanntmachung Mittel 
und Wege wählt, die nach allgemeinen Anschauungen zweckmäßig find. 
Auch ist es mangels einer pofitiven Bestimmung der Reichsverfassung nicht 
als unbedingt notwendig anzusehen, daß die Tatsache der verfassungsmäßigen 
Mitwirkung des Bundesrats und Reichstags bei der Bekanntmachung mit- 
geteilt wird, denn auch die sonstigen, für das rechtmäßige Zustandekommen 
des Vertrages bestehenden Voraussetzungen werden nicht oder nicht immer 
mitgeteilt, ohne daß dies von der staatsrechtlichen Theorie angefochten wird. 
Wenn, wie es bisweilen der Fall ist, die die Gegenzeichnung enthaltene Unter- 
schrift des Reichskanzlers auch nicht abgedruckt wird, so mag dies im Ver- 
hältnis zu dem bei der Reichsgesetzgebung beobachteten, übrigens durch keine 
pofitive Vorschrift bestimmten Verfahren eine Anomalie darstellen, aber 
Bedenken gegen die Gültigkeit und Vollständigkeit der Bekanntmachung er- 
geben sich auch hieraus nicht. Gerichts= und Verwaltungsbehörden werden 
nach dem Vorhandensein der nicht mitgeteilten Voraussetzungen für das 
verfafsungsmäßige Zustandekommen der Staatsverträge — Mitwirkung des 
Bundesrats und Reichstags, Gegenzeichnung des Reichskanzlers usw. — 
nur zu forschen haben, wenn begründete Bedenken bestehen, daß etwas dar-
	        
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