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Rechts, besonders für die Beurteilung der Frage, ob in einem einzelnen
Falle die Zuständigkeit des Reichs begründet sei, kann man aus dieser
Bestimmung keine Schlüsse ziehen, sondern die Frage der Reichskompetenz
ist nur nach den einzelnen Bestimmungen der Verfassung, insbesondere nach
Art. 4 R.V. zu beurteilen; vgl. die Reichstagsverhandlungen v. 28. April
1869; vgl. auch Art. 78 I.
IV. Der Bund führt den Namen „Deutsches Reich“.
Nachdem der Norddeutsche Bund durch den Beitritt Süddeutschlands
erweitert worden war, wurde es erforderlich, dieser Vereinigung einen andern
Namen zu geben. Wenn man die alte Bezeichnung, nur soweit als not-
wendig war, hätte verändern wollen, so würde vielleicht die Bezeichnung
„Deutscher Bund“ nahe gelegen haben. Jedoch hätte dies die Erinnerung
an die politische und staatsrechtliche Gestaltung Deutschlands in der Zeit
von 1815 bis 1866 wachgerufen, eine Vorstellung, die schwerlich für die
Befestigung des Bundes werbende Kraft entfaltet hätte. Die Gründe, die
für die Bezeichnung „Deutsches Reich“ sprachen, sind zweifellos dieselben,
die Fürst Bismarck in seinen „Gedanken und Erinnerungen“ (Kap. 23 IV)
für die Annahme des Kaisertitels anführt, daß nämlich der Gedanke an das
alte Deutsche Reich mit seinen großen geschichtlichen Erinnerungen, die sich
an die erste Hälfte seiner tausendjährigen Existenz knüpfen, ein werbendes
Element für die Befestigung der Reichsinstitutionen bilden werde. Außer-
dem sollte durch die Wiederaufnahme der Bezeichnungen „Kaiser" und „Reich“,
da sie umfassender sind und einen größeren Wirkungskreis bezeichnen als
„König“ und „Preußen“, der föderative Charakter des neuen Bundes kund-
gegeben werden, wie aus dem vom Staatsminister Delbrück in der Reichs-
tagssitzung v. 5. Dez. 1870 verlesenen, an den König von Preußen gerichteten
Schreiben des Königs von Bayern hervorgeht. Der König von Bayern
erklärte dort, er vertraue darauf,
„daß die dem Bundespräsidium nach der Verfassung zustehenden Rechte
durch Wiederherstellung eines Deutschen Reichs und der Deutschen Kaiser-
würde als Rechte bezeichnet werden, welche Euere Majestät im Namen
des gesamten deutschen Vaterlandes auf Grund der Einigung seiner Fürsten
ausüben“.
In der Reichsverfassung selbst wird für Reichsinstitutionen sowohl das
Wort „Reich“ wie das Wort „Bund“ gebraucht; z. B. Bundesgebiet (Art. 1),
Bundesrat (Art. 6), aber Reichsgesetz (Art. 2), Reichstag (Art. 20), Reichs-
beamter (Art. 18), Reichskasse (Art. 38). Mit Bezug hierauf hat Fürst
Bismarck in der Reichstagssitzung v. 1. April 1871 St. B. 95 erklärt:
„Die Wahl zwischen den Worten „Reich" und „Bund“ war weder
willkürlich noch zufällig. Daß beide Ausdrücke nach wie vor zulässig
find, geht m. E. aus dem Eingang der Verfassung hervor, aus den Worten:
„Dieser Bund wird den Namen Deutsches Reich führen“ — es ist also
eine Fortdauer des Bundesverhältnisses als Grundlage gedacht. Die
Fragen haben m. E. eine wesentliche prinzipielle Bedeutung nicht, sondern
nur eine sprachliche, und uns hat das Bestreben geleitet, für den recht-
lichen Begriff den angemessenen sprachlichen Ausdruck zu finden. Wir
find davon ausgegangen, den Ausdruck „Reich“ nur da zu gebrauchen,