IV. Präsidium. Art. 15. 323
ausschließen, daß durch generelle Bestimmungen die Leitung der Geschäfte
der Reichsverwaltung anderen nicht verantwortlichen Stellen übertragen
würde.
B. NDie Stellvertretung des Reichskanzlers.
1. Die Einwirkung des Stellvertretungsgesetzes auf Art. 15.
Wie aus den unter A. 4 angeführten Erklärungen des Fürsten Bismarck
v. 5. März 1878 St. B. des Reichstags S. 842 hervorgeht, sollte das Reichs-
gesetz betr. die Stellvertretung des Reichskanzlers v. 17. März 1878 R.G. Bl.
S. 7 die aus der Mitte des Reichstags erhobenen Zweifel beseitigen, ob
der Reichskanzler auf Grund des Art. 15 Abs. 2 R.V. sich auch für seinen
außerhalb des Bundesrats liegenden Geschäftskreis einen Stellvertreter be-
stellen dürfe. Dies war die Veranlassung des Gesetzes. Da man aber
einmal zu der gesetzlichen Regelung der Frage schritt, hat man gleichzeitig
auch eine — die Bestimmung des Art. 15 unberührt lassende — Regelung
der Stellvertretung für die Geschäfte des Reichskanzlers im Bundesrat
getroffen. Die Bestimmungen des Gesetzes lauten:
§ 1. Die zur Gültigkeit der Anordnungen und Verfügungen des Kaisers
erforderliche Gegenzeichnung des Reichskanzlers, sowie die sonstigen
demselben durch die Verfassung und die Gesetze des Reichs über-
tragenen Obliegenheiten können nach Maßgabe der folgenden Be-
stimmungen durch Stellvertreter wahrgenommen werden, welche der
Kaiser auf Antrag des Reichskanzlers in Fällen der Behinderung
desselben ernennt.
8 2. Es kann ein Stellvertreter allgemein für den gesamten Umfang der
Geschäfte und Obliegenheiten des Reichskanzlers ernannt werden. Auch
können für diejenigen einzelnen Amtszweige, welche sich in der
eigenen und unmittelbaren Verwaltung des Reichs befinden, die Vor-
stände der dem Reichskanzler untergeordneten obersten Reichsbehörden
mit der Stellvertretung desselben im ganzen Umfang oder in ein-
zelnen Teilen ihres Geschäftskreises beauftragt werden.
§ 3. Dem Reichskanzler ist vorbehalten, jede Amtshandlung auch während
der Dauer einer Stellvertretung selbst vorzunehmen.
8 4. Die Bestimmung des Art. 15 R.V. wird durch dieses Gesetz nicht
berührt.
Danach kann also der Kaiser dem Reichskanzler auf dessen Antrag einen
sogen. Generalstellvertreter bestellen, dessen Funktionen nach der klaren Be-
stimmung des § 1 nicht nur auf die Gegenzeichnung, sondern auch auf alle
sonstigen Obliegenheiten des Reichskanzlers sich erstrecken, also den Geschäfts-
kreis des Reichskanzlers vollständig erschöpfen (§ 2 Satz 1) und demzufolge
sich auch auf den Vorsitz im Bundesrate beziehen, vorausgesetzt natürlich, daß
der Generalstellvertreter selbst Mitglied des Bundesrats ist. Die Bestimmung
des § 4, daß Art. 15 R.V. unberührt bleibt, kann nur dahin verstanden
werden, daß der Reichskanzler für den Vorsfitz im Bundesrat sich nach wie
vor ein anderes Mitglied des Bundesrats zum Stellvertreter bestellen darf.
Mit Rücksicht auf die Fafsung des Stellvertretungsgesetzes, das im §8 4 den
Art. 15 R.V. unbedingt und unbeschränkt in Kraft erhält, liegt de iure das
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