340 IV. Präsidium. Art. 17.
Reichsgesetz nur ausgefertigt und verkündigt wird, wenn es nach Maßgabe
der Bestimmungen der Reichsverfassung rechtsgültig zustande gekommen ist.
Daß von den gesetzgebenden Körperschaften bei den Verhandlungen über den
Gesetzentwurf die Geschäftsordnung gewahrt wurde, ist eine innere Angelegen-
heit des Bundesrats bez. des Reichstags. Hierfür ist der Reichskanzler
nicht verantwortlich, wohl aber für die Beobachtung der Vorschriften der
Reichsverfassung und der etwa sonst in Betracht kommenden Rechtsvorschriften.
Dagegen kommen Erwägungen über die Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit der
geiehgeberischen Maßregel bei der Verkündigung der Reichsgesetze nicht in
etracht. Nur mit dieser Einschränkung kann der Ansicht v. Rönnes I
S. 299 f. zugestimmt werden, daß der Reichskanzler sich durch die Mit-
wirkung bei der Verkündigung ungültiger Beschlüsse des Bundesrats ver-
antwortlich macht; vgl. auch Arndt S. 683. .
ÜberdieEigenfchaftenderAusfertigungenthältdieRcichsvetfassung
keine nähere Bestimmung. Nach allgemeinen, namentlich für die Angelegen-
heiten der sogen. freiwilligen Gerichtsbarkeit maßgebenden Grundsätzen sind
Ausfertigungen Abschriften, die bestimmt sind, die Urschrift im Verkehr zu
ersetzen; es ist ihnen außerdem charakteristisch und ist die Folge dieser Zweck-
bestimmung, daß sie beglaubigt werden, daß also für ihre übereinstimmung
mit der Urschrift garantiert wird. Im Art. 17 ist offenbar das Wort
„Ausfertigung“ zur Bezeichnung der für den Abdruck im Reichsgelefbat
und . die Feststellung des authentischen Textes maßgebenden Reinschrift
gewählt. Als urschrift oder Konzept dürfte dabei wohl der den gesetzgeben-
den Körperschaften vorgelegte und von ihnen eventuell amendierte Text 9er
dacht sein. Die Ausfertigung enthält die kaiserliche Unterschrift und die
Gegenzeichnung des Reichskanzlers und wird damit zum maßgebenden Ori-
zinal das nachher im Archiv aufbewahrt wird. Das kaiserliche Datum
estimmt das Datum des Gesetzes; vgl. Laband II S. 47, Zorn 1 S. 415 ff.
Reichsgericht Cs. Bd. 8 S. 3, Bd. 9 S. 235.c.
Die Verkündigung erfolgt gemäß Art. 2 K.V. im Reichsgesefölatt und
ist die Voraussetzung dafür, boß die Gesetze nach außen, d. h. den Unter-
tanen gegenüber, verbindliche Kraft erhalten. Für die ordnungsmäßige Ver-
kündigung ist der Reichskanzler verantwortlich. Es ist in der Reichere assung
zwar nicht ausdrücklich bestimmt, daß die Ausfertigung und Verkündigung
unverzüglich erfolgen muß, jedoch dürfte sich dies aus der Natur der
Stanzl
ergeben — vgl. Laband 11 S. 48 — oder mindestens müßte der Rei
an, eine Verzögerung durch besondere Gründe zu rechtfertigen.
in der Lage
IV. Die Berantwortlichkeit des Reichskanzlers ist eingeschränkt für:
a) Die Gesetzgebung.
Der Abg. Schulze erklärte in der Sitzung des konst. Reichstags v.
23. März 1867 St. B. 339:
„Für alle legislativen Funktionen macht man niemanden verantwortlich,
sondern die ganze Verantwortlichkeit tritt überhaupt nur in der Exekutive
ein, man müßte ja sonst die Volksvertretung auch verantwortlich machen.“
Im gleichen Sinne äußerte damals der Abg. Lasker im Zusammen-
hange mit einem Plädoyer für die Verantwortlichkeit der Exekutivgewalt in
der Sitzung v. 11. März 1867 St. B. 126: