Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

348 IV. Präsidium. Art. 17. 
staatsrechtlichen Gültigkeit anerkannte preußische Königliche Erlaß v. 18. Jan. 
1861 über die Gegenzeichnung und Bekanntmachung der Armeebefehle geben, 
der folgendes bestimmt (Min.-Blatt für die in. Verw. Preußens S. 783): 
„1. Armeebefehle sowie Ordres, welche der König in Militärdienstsachen 
oder Personalangelegenheiten erläßt, werden ohne Gegenzeichnung ex- 
pediert. 
2. Sind in diesen Ordres Bestimmungen enthalten, welche auf den 
Militär-Etat von Einfluß sind oder andere Zweige der Militärver= 
waltung berühren, so findet folgendes Verfahren statt: 
a) Sind die Ordres nicht an den Kriegsminister gerichtet, so wird der 
König die Bestimmungen demselben mittels besonderer Ordres, 
welche alsdann mit seiner Gegenzeichnung zu versehen sind, zu- 
gehen lassen; 
b) sind diese Ordres an den Kriegsminister zur weiteren Veranlassung 
gerichtet, so hat dieser sie behufs Aufbewahrung bei den Akten 
gegenzuzeichnen, ihren Wortlaut aber als einen Militärbefehl ohne 
Gegenzeichnung der Armee oder den betreffenden Kommandostellen 
usw. bekannt zu machen. 
3. Außerdem verbleibt es in bezug auf die vom Könige in Armee-An- 
gelegenheiten getroffenen Bestimmungen, welche der König dem Kriegs- 
minister nicht durch Ordres bekannt macht, bei dem bisherigen Ver- 
fahren, so daß dieser von allem rechtzeitig Kenntnis erhält. 
4. Alle übrigen, nur die Militärverwaltung im allgemeinen oder in ihren 
einzelnen Zweigen betreffenden Ordres, welche den Etat alterieren oder 
sonst einen Regierungsakt enthalten, werden, wie bisher, vor der Ab- 
sendung mit der Gegenzeichnung des Kriegsministers versehen."“ 
Danach sind also die nicht der Gegenzeichnung bedürfenden „Armee- 
befehle sowie Ordres in Militärdienstsachen und Personalangelegenheiten“ 
gegenübergestellt den mit der Gegenzeichnung des Ministers zu versehenden 
Ordres, die auf den Militär-Etat von Einfluß sind oder andere Zweige der 
Militärverwaltung berühren. Soweit diese Bestimmungen im einzelnen 
Falle die Entscheidung zweifelhaft lassen, muß das Herkommen maßgebend 
sein. Der Tendenz des in dieser Beziehung bestehenden Rechts entspricht 
es, daß man von der Selbständigkeit der obersten Militär-Kommandostelle 
ausgeht, also das Erfordernis der Gegenzeichnung nur so weit anerkennt, als 
es zur Wahrung des Etatsrechts der Volksvertretung notwendig ist und als 
es sich um Verwaltungsangelegenheiten handelt, die ihrer Natur nach für 
die Armee nicht nach anderen Gesichtspunkten beurteilt werden können als 
die entsprechenden Einrichtungen im Bereiche der Civilverwaltung. Dagegen 
fallen alle spezifisch militärischen Anordnungen im Zweifel in das Gebiet 
der Kommandogewalt. Die Reichsverfassung gibt übrigens in dieser Be- 
ziehung keinen positiven Aufschluß, auch nicht in den von dem Oberbefehle 
des Kaisers handelnden Vorschriften der Art. 63—68 R.V. Denn diese 
Bestimmungen betreffen in gleicher Weise die Kommandogewalt des Kaisers 
wie die unter seinem Oberbefehle stehende, aber der ministeriellen Gegen- 
zeichnung bedürfende Armeeverwaltung. Wenn z. B. im Art. 64 Abs. 1 
bestimmt ist, daß alle deutschen Truppen verpflichtet find, den Befehlen des 
Kaisers unbedingte Folge zu leisten, so bezieht sich dies auf die Armee- 
verwaltung so gut wie auf das Armeekommando. Die Vorschriften der
	        
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