Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

IV. Präsidium. Art. 17. 349 
Art. 63ff. erstrecken sich überhaupt nicht auf diese Unterscheidung, sondern 
nur auf die Ausdehnung der Machtbefugnisse des Kaisers bezüglich der 
außerpreußischen Kontingente; vgl. Laband IV S. 33ff., Arndt S. 464 f., 
Zorn ! S. 192, Bornhak Preuß. Staatsrecht Bd. 3 S. 29ff. 
Für die Flotte sind maßgebend die A.E. v. 1. Jan. 1872 R. G. Bl. 
S. 5 und v. 30. März 1889 R. G. Bl. S. 47 sowie die Kabinettsordre v. 
14. März 1899 (Marineverordnungsbl. S. 61), wonach grundsätzlich wie 
beim Heere zwischen Oberbefehl und Verwaltung, zwischen Kommandogewalt 
und Armeeverordnung unterschieden wird und nur die Verwaltung von dem 
Staatssekretär des Reichs-Marineamts unter Verantwortung des Reichs- 
kanzlers zu führen ist. 
Für die Flotte ist daher zur Gegenzeichnung der Verordnungen ledig- 
lich der Reichskanzler oder dessen Stellvertreter, der Staatssekretär des 
Reichs-Marineamts zuständig; dagegen ist für das Landheer die Rechtslage 
nicht so einfach, weil die Armeeverwaltung zwar für die Rechnung des 
Reichs geführt, aber von den Einzelstaaten ausgeübt wird, soweit sie noch 
selbständige Kontingente haben, nämlich Preußen, Bayern, Sachsen und 
Württemberg. Daraus ergibt sich ein Mitwirkungsrecht der einzelstaatlichen 
Kriegsminister. Die Abgrenzung ihrer Kompetenzen im Verhältnis zu denen 
des Reichskanzlers ist aus der Reichsverfassung nicht ohne weiteres zu er- 
sehen und ist in der staatsrechtlichen Literatur bestritten. Die Frage ist 
bei einer Erörterung über die Verantwortung für die auf militärischem 
Gebiet liegenden Allerhöchsten Gnadenerlasse, die sogen. justifizierenden Kabi- 
nettsordres im Reichstage eingehend erörtert worden. Nach einem Bericht der 
Rechnungskommission des Reichstags v. 17. Jan. 1890 Anlagen 1895/1897 
Bd. 3 S. 1856 ff. Nr. 382 hat der Vertreter des Reichsjustizamts ausgeführt, 
daß die Militärverwaltung nicht vom Reiche übernommen, sondern den 
Bundesstaaten mit selbständigen Kontingenten belassen worden sei, daß an- 
dererseits das Reich die Kosten der Militärverwaltung trage, daß demzufolge 
die Militärverwaltung an die durch die Gesetze und Verordnungen des Reichs 
gegebenen Normen gebunden und bei deren Ausführung der Beaufsichtigung 
durch das Reich auf Grund der Art. 4 Ziff. 14 und Art. 17 R.V. unter- 
worfen sei und daß namentlich die Rechnungslegung über die Einnahmen 
und Ausgaben auf dem Gebiete des Heerwesens ebenso wie bezüglich der 
anderen Zweige der Reichssinanzverwaltung auf Grund des Art. 72 R.V. 
dem Reichskanzler obliege; die hierdurch eintretende Verantwortlichkeit des 
Reichskanzlers bedinge die Verpflichtung der Kontingentsverwaltungen, sich 
bei allen das finanzielle Gebiet berührenden Maßnahmen in Fühlung und 
im Einvernehmen mit dem Reichskanzler zu halten; wie dieses Einvernehmen 
hergestellt und gewahrt werde, falle dem internen Verhältnis und Verkehr 
zwischen der Leitung der Kontingentsverwaltungen und dem Reichskanzler 
anheim. Diesen Ausführungen ist zuzustimmen. 
Die Verantwortung nach außen tragen neben dem Reichskanzler auch 
die Kriegsminister der Kontigente. Das Verhältnis ist aber nicht dahin zu 
beurteilen, daß die Kriegsminister nur als Geschäftsführer und Stellvertreter 
des Reichskanzlers die Heeresverwaltung ausüben. Denn wenn auch die 
Verwaltung im Namen und für Rechnung des Reichs geführt wird, so liegt 
doch darin, daß in diesen Grenzen den Kontingentsstaaten die Verwaltung 
geblieben ist, eine Hoheitsbefugnis, die sie auf Grund eigenen Rechts aus-
	        
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