Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

IV. Präsidium. Art. 17. 351 
Reichskanzler trägt für die finanzielle Seite der Militärverwaltung die 
Verantwortung unmittelbar, und zwar in einem der eigenen Verantwortung 
des Kriegsministers koordinierten Grade; vgl. Fürst Bismarck in den Reichs- 
tagssitzungen v. 28. Sept. 1867 St. B. 139 und v. 5. März 1878 St.B. 345. 
Es besteht also für die den Etat berührenden Angelegenheiten der Armee eine 
doppelte Verantwortung, sowohl die des Reichskanzlers wie die des preußischen 
Kriegsministers; dabei ist es nicht notwendig, daß die Verantwortung des 
Reichskanzlers, die allgemeiner Art ist und sich der Natur der Sache nach 
nicht auf die technischen Einzelheiten erstrecken kann, gerade durch die Mit- 
zeichnung zum Ausdruck gebracht wird, wenn der Reichskanzler nicht für 
einzelne Akte besonders eintreten will. Für alle anderen Verwaltungs- 
angelegenheiten der Armee ist aber nur der Kriegsminister des betreffenden 
Kontingents verantwortlich. Anderer Ansicht ist v. Rönne I 302 auf Grund 
seiner von dem hier vertretenen Standpunkt grundsätzlich verschiedenen An- 
sicht, daß das Militärwesen eine reine Reichsangelegenheit sei; vgl. auch Arndt 
S. 446 f. 
d) Die justifizierenden Kabinettsordres. 
Die preußische Oberrechnungskammer übt als Rechnungshof für das 
Deutsche Reich auch die Kontrolle über die Reichsfinanzen aus. Nach den 
für die Oberrechnungskammer maßgebenden Vorschriften können in gewissen 
Fällen außeretatsmäßige Ausgaben sowie die Nichterhebung von vorgeschriebe- 
nen Einnahmen durch die Genehmigung des Königs gedeckt werden. Durch 
den Eintritt Preußens in das Reich hat sich hieran nichts geändert, und 
für die Reichsfinanzen übt der Kaiser die Rechte aus, die im Bereiche 
der preußischen Finanzen dem König von Preußen zustehen; vgl. Laband IV. 
S. 525 ff. Der Ansicht Joêls (Hirth's Annalen 1888 S. 830 ff.), das 
Recht des Kaisers beruhe darauf, daß für die Prüfung der Rechnungen 
und die Entlastung im Reich dieselben Vorschriften gelten wie in Preußen, 
kann aus den von Laband S. 526 angeführten Gründen nicht beigetreten 
werden. Der Kaiser ist also in dem gleichen Umfange auch zur Nieder- 
schlagung von Einnahmen berechtigt. Es handelt sich dabei nur um gnaden- 
weise Bewilligungen, z. B. Niederschlagung von Regreßansprüchen gegen Beamte, 
Niederschlagung von Gebührenforderungen in besonderen Fällen, Unterlassung 
der Rückforderung von überhobenen Gehältern und Penfionen, Verzicht auf 
kontraktliche Rechte gegen Privatpersonen, wenn in der strengen Aufrecht- 
erhaltung des Vertrages eine Unbilligkeit liegen würde. Für Preußen be- 
ruht die Ausübung dieser Rechte auf einer stets geübten Praxis, die auch 
mit den Machtvollkommenheiten des Kaisers vereinbar ist und deshalb im 
Reiche fortgesetzt wird. Die Oberrechnungskammer verlangt für derartige 
Niederschlagungsbefehle des Königs, die den Namen „justifizierende Kabinetts- 
ordres" führen, die Gegenzeichnung durch den verantwortlichen Ressort- 
minister; für militärische Angelegenheiten war es der preußische Kriegs- 
minister, und dieser behielt die Gegenzeichnung nach der Gründung des 
Reichs bei. Der Rechnungshof des Deutschen Reichs erklärte in den Be- 
merkungen zur Allgemeinen Rechnung für das Etatsjahr 1882/1883, daß 
die die Militärverwaltung betreffenden Allerhöchsten Niederschlagungsordres 
wegen ihrer auf reichsfinanziellem Gebiet belegenen Wirkung zu ihrer Gültig- 
keit als Rechnungsjustifikatorien der Gegenzeichnung des Reichskanzlers 
bedürften. Der Reichstag schloß sich diesem Bedenken an. Die Reichsver-
	        
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