30 I. Bundesgebiet. Art. 1.
burg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Reuß älterer Linie,
Reuß jüngerer Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Lübeck, Bremen und
Hamburg.
I. Die Gebietshoheit des Reichs und der Einzelstaaten.
II. Elsaß-Lothringen.
III. Helgoland.
IV. Die Schutzgebiete.
V. Die Anderung der Grenzen des Reichs.
VI. Die Änderung der Grenzen der Einzelstaaten ohne Anderung der Grenzen
des Reichs.
I. Die Gebietshoheit des Reichs und der Einzelstaaten.
Zu einem Staat gehören Land und Leute. Das Deutsche Reich ist
ein Staat, wenn auch kein Einheitsstaat, so doch ein Bundesstaat, und
Art. 1 R.V. bestimmt deshalb den Umfang des zu diesem Bundesstaat
gehörigen Staatsgebietes.
Das Staatsgebiet des Reichs ist als „Bundesgebiet“ im Art. 1 be-
zeichnet. Über die Wahl dieses Wortes im Gegensatz zu der Bezeichnung
„Reichsgebiet“, die im Reichstag in der Sitzung vom 1. April 1871 be-
antragt worden war, hat sich Fürst Bismarck in dieser Sitzung (St.B. 95)
im Anschluß an seine oben (Eingang IV) mitgeteilten Ausführungen, wonach
der Ausdruck „Reich“ mehr auf die Rechte der Gesamtheit der Bundes-
glieder, der Ausdruck „Bund“ mehr auf die Rechte der einzelnen Staaten
hinweist — wie folgt geäußert:
„Bei den Worten „Reichsgebiet“" und „Bundesgebiet“ gebe ich gern
zu, daß der Unterschied (zwischen den Bezeichnungen Reich und Bund)
sich nicht notwendig und scharf fühlbar macht. Es kommt aber auf den
sprachlichen Begriff an, den man mit „Reich“ und „Gebiet“ verbindet.
Wir haben geglaubt, daß auch da, weil die Souveränität, die Landes-
hoheit, die Territorialhoheit bei den einzelnen Staaten verblieben ist, bei
Bezeichnung des Gesamtgebietes der Begriff des Bundesverhältnisses in
den Vordergrund zu stellen sei."
Unter dem hier auch vom Fürsten Bismarck gebrauchten Ausdruck
„Territorial- oder Gebietshoheit“ ist das Recht zu verstehen, innerhalb
eines bestimmten Gebiets die Staatsgewalt auszunben. Die Außerung des
Fürsten Bismarck, daß die Territorialhoheit bei den Einzelstaaten geblieben
sei, kann deshalb nur cum grano salis verstanden werden. Die Territorial=
hoheit ist nach Maßgabe der für das Reich und die Einzelstaaten geltenden
Kompetenzvorschriften zwischen dem Reich und den Einzelstaaten verteilt.
Was Fürst Bismarck zum Ausdruck bringen wollte, kann nur der — un-
zweifelhaft richtige — Standpunkt gewesen sein, daß entsprechend der Kom-
petenzverteilung zwischen Reich und Einzelstaaten die Gebietshoheit der Einzel-
staaten den Ausgangspunkt bildet und daß dem Reich die Gebietshoheit in
den Einzelstaaten nur soweit zusteht, als seine Kompetenz durch positive
Vorschriften der Reichsverfassung begründet ist. Danach steht den Einzel-
staaten Ausländern — aber nicht Reichsangehörigen — gegenüber die Ent-
scheidung zu, wem sie ihre Grenzen öffnen wollen, welche Ausländer sie in
ihrem Gebiet dulden wollen und welche nicht. Hierbei ist natürlich nur