IV. Präsidium. Art. 17. 375
ihres Geschäftskreises beauftragt werden. Nach den Motiven des Gesetz-
entwurfs sollten die Geschäftszweige, „bei denen es sich in der Hauptsache
nicht um eine Verwaltung des Reichs handelt, sondern der Schwerpunkt
in dem Recht der Aufsicht und Gesetzgebung liegt“, von der besonderen
Stellvertretung ausgeschlossen werden und es sollten nur unter die Bestimmung
fallen: die Verwaltung der Auswärtigen Angelegenheiten, die Marine-
verwaltung, Post und Telegraphen, die Verwaltung der Reichslande ein-
schließlich ihrer Justiz und der dortigen Eisenbahnen, ferner die Finanzen
des Reichs, soweit sie sich in dessen ausschließlicher Verwaltung befinden.
Nach den Motiven stehen also die in der „eigenen und unmittelbaren
Verwaltung" des Reichs befindlichen Geschäftszweige im Gegensatz zu den-
jenigen, die der Verwaltung der Einzelstaaten überlassen sind und für die
dem Reich nach Art. 4 R.V. nur das Recht der Gesetzgebung und Beauf-
sichtigung zusteht. Bei den Ressorts, in denen sowohl eigene Verwaltung
wie Aufsicht über die Verwaltung der Einzelstaaten vorkommt, soll der
hauptsächliche Charakter des Ressorts maßgebend und danach die Bestellung
des Ressortchefs zum Spezialstellvertreter zulässig sein — und zwar für
den gesamten Umfang seines Ressorts — wenn der Schwerpunkt seines
Ressorts in der Ausübung der eigenen Verwaltungsbefugnisse des Reichs
liegt; ebenso Smend in Hirth's Annalen 1906 S. 331 f., Zorn I S. 266 f.
Die Stellvertretung wird also, wie aus den Motiven zu schließen ist, da-
durch nicht ausgeschlossen, daß in dem betreffenden Ressort Ausfsichtsbefug-
nisse vorkommen, wenn sie nur nicht den zur unmittelbaren Verwaltung
des Reichs gehörigen Teil des Ressorts an Bedeutung überwiegen. Eine
Bestätigung für diese Ansicht ergibt sich auch aus den Verhandlungen des
Reichstages; in der Sitzung v. 8. März 1878 St. B. 891 stellte der sächsische
Staatsminister v. Nostiz-Wallwitz die Übereinstimmung des Bundesrats
mit der schon früher vom Abg. v. Bennigsen ausgesprochenen Ansicht fest,
daß entsprechend dem aus den Motiven ersichtlichen Standpunkt der Reichs-
verwaltung für die Ressorts, die überwiegend die eigenen Verwaltungs-
geschäfte des Reichs wahrzunehmen haben, die Stellvertretung zugelassen,
für die anderen Ressorts aber ausgeschlossen sei. Der Abg. v. Kleist-Retzow
führte in derselben Sitzung St. B. 381 aus, daß gemäß § 2 des Gesetzes
die Stellvertretung des Reichskanzlers nicht zulässig sei für die Justiz und
das Reichs-Eisenbahnamt, während er bezüglich der Finanzen die Frage
offen ließ, ob die eigene Verwaltung des Reichs überwiege und demnach
die Stellvertretung im Sinne des § 2 möglich sei.
Auf Grund des § 2 sind zu Spezialstellvertretern ohne Einschränkung
für den ganzen Umfang ihres Geschäftskreises ernannt worden: die Staats-
sekretäre des Auswärtigen und des Reichs-Kolonialamts, des Reichs-Marine-
amts, des Reichs-Postamts und der Chef des Reichsamts für die Verwaltung,
der Reichs-Eisenbahnen (nicht zu verwechseln mit dem Reichs-Eisenbahnamt).
Ferner find mit Beschränkung auf denjenigen Teil ihres Ressorts, der sich
„in der eigenen und unmittelbaren Verwaltung des Reichs befindet“, der
Staatssekretär des Reichs= Justizamts und früher auch der Staatssekretär
des Reichsschatzamts zu Stellvertretern des Reichskanzlers ernannt worden,
doch ist letzterer in neuerer Zeit ohne diese Einschränkung ernannt worden.
Für das Reichsamt des Innern hat bisher eine derartige Ernennung nicht
stattgefunden, aber der Staatssekretär des Reichsamts des Innern ist seit