376 IV. Präsidium. Art. 17.
1881 stets General-Stellvertreter des Reichskanzlers gewesen. Der Präfident
des Reichs-Eisenbahnamts ist nicht zum Stellvertreter des Reichskanzlers
bestellt worden. Dies ist selbstverständlich, da das Ressort des Reichs-
Eisenbahnamts lediglich die Aufsichtsbefugnisse des Reichs gegenüber den
Eisenbahnverwaltungen der Einzelstaaten, eigene Verwaltungsinstitutionen
des Reichs aber überhaupt nicht umfaßt; vgl. Smend a. a. O. S. 332.
Mindestens ist also in der für das Reichsschatzamt beobachteten Praxis
eine Bestätigung der hier vertretenen Ansicht zu finden. Denn zum Ressort
des Reichsschatzamts gehören neben der eigenen Finanzverwaltung des Reichs
auch Auffichtsbefugnisse, z. B. über die Ausführung der Zoll- und Steuer-
gesetze in den Einzelstaaten. Daß bezüglich des Reichs-Justizamts eine
Beschränkung der Stellvertretung auf den in der eigenen Verwaltung des
Reichs befindlichen Teil des Ressorts stattgefunden hat, kann nur so erklärt
werden, daß es erwünscht erschien, die Stellvertretung so weit auszudehnen,
als es der Wortlaut des Gesetzes noch zuließ. Denn das Reichs-Justizamt
gehört wohl zu denjenigen Reichsämtern, bei denen es mindestens zweifelhaft
ist, ob der Schwerpunkt des Ressorts in der eigenen Verwaltung des Reichs
liegt, die sich in der Hauptsache auf die Justizverwaltung für das Reichs-
gericht beschränkt. Andererseits wird die Aufsichtstätigkeit praktisch auch
nicht sehr ins Gewicht fallen. Der Schwerpunkt des Ressorts liegt wohl
in der Ausarbeitung von Reichsgesetz-Entwürfen, bei der eine Stellvertretung
des Reichskanzlers nicht von praktischer Bedeutung sein kann.
Wie von Smend a. a. O. S. 380 mit Recht hervorgehoben wird, kommen
die richterlichen Behörden des Reichs und der Rechnungshof nicht in Be-
tracht, weil es sich dabei um unabhängige, nicht aber um solche Behörden
handelt, die — wie § 1 des Stellvertretungsgesetzes voraussetzt — Obliegen-
heiten des Reichskanzlers erfüllen; aus demselben Grunde kommt auch für
die Reichs-Schuldenkommission und die Reichs-Schuldenverwaltung das
Stellvertretungsgesetz nicht in Betracht. Für die Reichsbank gilt als lex
specialis § 26 des Reichsbankgesetzes v. 14. März 1875 R. G. Bl. S. 177,
wonach die dem Reiche zustehende Leitung der Reichsbank vom Reichskanzler
und unter diesem sowie unter seiner Verantwortlichkeit vom Reichsbank-
Direktorium ausgeübt wird. Ist der Reichskanzler verhindert, so wird er
durch seinen vom Kaiser ernannten Stellvertreter, den Staatssekretär des
Innern, vertreten (R.C.Bl. 1880 S. 801).
Die Spezial-Stellvertreter sind ebenfalls für ihre auf Grund der Ver-
tretungsbefugnis ausgeführten Amtshandlungen in vollem Umfange ver-
antwortlich. Sie sind für die von ihnen selbständig vorgenommenen, nur
von ihrem eigenen Willensentschluß abhängigen Handlungen nach Maßgabe
der allgemeinen civil= und strafgesetzlichen Bestimmungen juristisch verant-
wortlich. Für kaiserliche Erlasse sind sie auf Grund des Art. 17 K.V.
verantwortlich, weil sie in die vom Reichskanzler zu übernehmende Ver-
antwortung eintreten, und wie der Reichskanzler geben sie die Übernahme
der Verantwortung durch die Gegenzeichnung kund. Im übrigen tragen
sie für Handlungen und Unterlassungen die moralische und politische Ver-
antwortung so weit, als ihr tatsächlicher Einfluß reicht. Dem Reichskanzler
wird die juristische Verantwortung vollkommen abgenommen, weil ihre
formelle Voraussetzung die Zeichnung oder Gegenzeichnung der Anordnung
ist. Der Abg. Lasker führte bei der Beratung des Stellvertretungsgesetzes