IV. Präsidium. Art. 17. 377
in der Reichstagsfitzung v. 8. März 1878 St. B. 389 aus, daß im Rahmen
ihres Geschäftskreises nur noch die Stellvertreter verantwortlich seien. Zu-
zugeben ist, daß, abgesehen von der juristischen Verantwortung, auch die
moralische und politische Verantwortung, die sich auf die Zweckmäßigkeit
und Opportunität der getroffenen Maßregeln bezieht und insbesondere im
Verhältnis zum Reichstage zur Geltung kommt, von den Stellvertretern in
den Grenzen ihres tatsächlichen Einflusses selbst für diejenigen Handlungen
getragen wird, für die sie juristisch nicht verantwortlich find. Jedoch wird
diese Verantwortung daneben auch vom Reichskanzler übernommen; er ist
verantwortlich dafür, daß seine Stellvertreter die von ihm eingeschlagene
Richtung der Reichspolitik innehalten; er haftet sowohl für die Auswahl
der Personen der Stellvertreter, wie dafür, daß er erforderlichenfalls, um
bestimmte Anordnungen im einzelnen Falle herbeizuführen oder zu ver-
meiden, rechtzeitig von dem ihm durch § 3 des Stellvertretungsgesetzes
vorbehaltenen Rechte Gebrauch macht und auch während der Dauer der
Stellvertretung die zur Abwendung von Nachteilen etwa erforderlichen
Amtshandlungen selbst vornimmt. Dies hat bei der Beratung des Stell-
vertretungsgesetzes in der Reichstagssitzung v. 5. März 1878 St. B. 346
Fürst Bismarck in Übereinstimmung mit dem Abg. v. Bennigsen St. B. 331
anerkannt. Seine Verantwortung für die Auswahl der Personen hat Fürst
Bismarck mit besonderer Entschiedenheit bei einer späteren Gelegenheit, in
der Reichstagssitzung v. 24. Febr. 1881 St. B. 31, zum Ausdruck gebracht.
Daraus, daß die allgemeine politische Verantwortung des Reichskanzlers
auch für den Wirkungskreis der Stellvertreter fortbesteht, ergibt sich, daß
die Stellvertreter keine voneinander und von der Hauptrichtung abzweigende
Politik verfolgen dürfen und daß Meinungssverschiedenheiten unter ihnen
nur durch den Reichskanzler selbst entschieden werden können, dessen Aufgabe es
ist, für die Einheitlichkeit der in den verschiedenen Ressorts einzuschlagenden
Richtung der Reichspolitik Sorge zu tragen; vgl. die Ausführungen des
Staatssekretärs des Innern Graf Posadowsky-Wehner in der Reichstags-
sitzung v. 23. Mai 1900 St.B. 5724, der dabei eine allgemeine Anordnung
des Fürsten Bismarck erwähnte, wonach Meinungssverschiedenheiten zwischen
den Stellvertretern durch gemeinschaftlichen Vortrag bei dem Reichskanzler
zu erledigen sind.
Das Stellvertretungsgesetz hat eine gesetzliche Unterlage nur für die
Vertretungsbefugnis der Chefs der obersten Reichsämter geschaffen. Die
Organisation dieser ÄAmter selbst, ihre Zuständigkeit und ihre wechselseitigen
Beziehungen beruhen nicht auf einem Reichsgesetz, insbesondere nicht auf
dem Stellvertretungsgesetz, sondern sind eine innere Angelegenheit der Dienst-
pragmatik und durch kaiserlichen Erlaß oder vom Reichskanzler im Ver-
waltungswege zu regeln. Ebenso wie durch eine Verfügung des Fürsten
Bismarck angeordnet ist, daß Meinungssverschiedenheiten der Staatssekretäre
durch gemeinschaftlichen Vortrag bei dem Reichskanzler zu erledigen sind,
könnte im Verwaltungswege, z. B. nach Analogie der für das preußische
Staatsministerium getroffenen Einrichtung bestimmt werden, daß die finan-
ziellen Angelegenheiten sämtlicher Ressorts nur unter Mitwirkung des
Staatssekretärs des Reichsschatzamts bearbeitet werden. Das Stellvertretungs-
gesetz würde dadurch nicht berührt werden; vgl. die Ausführungen des Staats-
sekretärs des Innern Graf Posadowsky-Wehner in der Reichstagssitzung v.