Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

378 IV. Präsidium. Art. 17. 
27. April 1901 St. B. 9061. Wenn der Staatssekretär dabei auf das Stell- 
vertretungsgesetz Bezug genommen hat, so kann dies nur dahin verstanden 
werden daß das Stellvertretungsgesetz die Freiheit des Reichskanzlers, eine der- 
artige Verwaltungsanordnung zu erlassen, nicht einschränkt. Dies ergibt sich 
insbesondere aus § 3 dieses Gesetzes. Da § 3 dem Reichskanzler das Recht 
gibt, nach freiem Ermessen in den Amtskreis seiner Stellvertreter einzu- 
greifen, so kann er übrigens auch auf Grund dieser Bestimmung eine die 
Mitwirkung der Reichs-Finanzverwaltung sichernde Anordnung treffen. 
Jc) Die Stellvertretung für Elsaß-Lothringen. 
Auf Elsaß-Lothringen bezieht sich das Stellvertretungsgesetz nicht. Denn 
gemäß § 2 des Ges. v. 4. Juli 1879 betr. die Verfassung und Verwaltung 
von Elsaß-Lothringen ist der Geschäftskreis des Reichskanzlers auf den 
Statthalter übergegangen. Jedoch ist die Stellung des Statthalters nicht 
analog derjenigen, die der Reichskanzler im Reiche einnimmt. Denn dem 
Statthalter sind auch landesherrliche Befugnisse übertragen, bezüglich deren 
die Verantwortung nach außen gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes nur vom 
Staatssekretär zu tragen ist, und soweit der Statthalter die Rechte des 
Reichskanzlers wahrnimmt, ist zu berücksichtigen, daß der Kaiser in Elsaß- 
Lothringen die Machtbefugnisse ausübt, die dem Monarchen eines Einzelstaats 
in seinem Lande zustehen, und danach find auch die ministeriellen Befugnisse 
des Statthalters bemessen. In Ansehung seiner ministeriellen Befugnisse 
ist auf den Statthalter die Verantwortung übergegangen, die früher für 
Elsaß-Lothringen der Reichskanzler trug. Die Stellvertretung ist der des 
Reichskanzlers entsprechend geregelt. Denn nach § 4 Abs. 2 des Ges. v. 
4. Juli 1879 hat für die ministeriellen Befugnisse des Statthalters der 
Staatssekretär die Rechte und die Verantwortlichkeit eines Stellvertreters 
des Statthalters in dem Umfange, wie ein Stellvertreter des Reichskanzlers, 
und dem Statthalter ist vorbehalten, jede in diesen Bereich fallende Amts- 
handlung selbst vorzunehmen. 
d) Der Fall der Behinderung des Reichskanzlers. 
Die Stellvertretung des Reichskanzlers, und zwar sowohl die General- 
wie die Spezialstellvertretung ist eine dauernde Einrichtung geworden, und 
sie war, wie die Motive des Stellvertretungsgesetzes ergeben, von Hause 
aus als solche gedacht. Denn die Motive begründen die Notwendigkeit der 
Stellvertretung mit dem beständig steigenden sachlichen Umfang der Ge- 
schäfte des Reichskanzlers, und bei den Reichstagsverhandlungen kam der- 
selbe Gedanke zum Ausdruck, insbesondere in den Ausführungen des Fürsten 
Bismarck v. 5. März 1878 St. B. 343; ebenso Laband I S. 357, Smend 
a. a. O. S. 333. 
e) Die Einrichtung und Aufhebung der Stellvertretung. 
Nach § 1 des Stellvertretungsgesetzes werden die Stellvertreter vom 
Kaiser auf Antrag des Reichskanzlers ernannt. Nach dem Wortlaut des 
Gesetzes bezieht sich der Antrag des Reichskanzlers nicht nur auf den sach- 
lichen Inhalt der Vertretung, sondern auch auf die Person des Vertreters. 
Dies hat seinen inneren Grund und seine Berechtigung darin, daß der 
Reichskanzler auch während der Dauer der Stellvertretung für die all-
	        
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