IV. Präsidium. Art. 18. 379
gemeine Richtung der Politik verantwortlich bleibt. Daraus ergibt sich
die übrigens schon an sich in der Organisation der Reichsverwaltung be—
gründete staatsrechtliche Notwendigkeit, daß bei der Ernennung der Chefs
der obersten Reichsämter, die als Stellvertreter in Frage kommen, die
Anträge des Reichskanzlers von Bedeutung find. Bei nicht zu überwinden-
den Meinungsverschiedenheiten mit der Krone bleibt dann nur der Rück-
tritt des Reichskanzlers übrig; ebenso Joöl in Hirth's Annalen 1878 S. 766,
Zorn I S. 263.
Für die Aufhebung der Stellvertretung ist ebenso wie für die Ein-
setzung ein kaiserlicher Erlaß notwendig. Dies hat Fürst Bismarck in
der Reichstagssitzung v. 5. März 1878 St.B. 346 auf eine Frage des Abg.
v. Bennigsen anerkannt.
Da die Behörden-Organisation im Reich Sache des Bundesrats und der
Reichsverwaltung ist, können durch deren Verordnung neue oberste Reichs-
ämter eingerichtet werden, und eine Mitwirkung des Reichstags würde in
der Form seiner Beteiligung an dem Etatsgesetz nur dann erforderlich sein,
wenn die neue Organisation mit Mehrausgaben verbunden ist, die der Reichs-
verwaltung im Rahmen des geltenden Etats nicht zur Verfügung stehen.
Der Chef der durch den Bundesrat neu geschaffenen obersten Reichsbehörde
würde durch den Kaiser ohne weiteres zum verantwortlichen Stellvertreter
des Reichskanzlers ernannt werden können, weil 8 2 des Stellvertretungs-
gesetzes schlechthin und ohne Ausnahme bestimmt, daß die Vorstände der
dem Reichskanzler untergeordneten obersten Reichsbehörden zu verantwort-
lichen Spezialstellvertretern des Reichskanzlers bestellt werden dürfen. Eine
Beschränkung dieser Bestimmung auf die bei der Emanation des Gesetzes
vorhanden gewesenen obersten Reichsbehörden — wie sie Giese in Hirth's
Annalen 1907 S. 552ff. vertritt — ist weder im Gesetz zum Ausdruck
gekommen noch entspricht sie dem Motiv des Gesetzes. Im Sinne dieses
Motives liegt es vielmehr, daß zur Entlastung des Reichskanzlers der
Reichsverwaltung die volle Freiheit gelassen wird, von der durch das Gesetz
gegebenen Befugnis zur Bestellung von verantwortlichen Stellvertretern
einen möglichst weiten Gebrauch zu machen. Die Ernennung des Staats-
sekretärs des Reichs-Kolonialamts, dessen Gehalt vom Reichstag im Etats-
gesetz für 1906 zunächst nicht bewilligt wurde, hätte daher auch ohne Mit-
wirkung des Reichstags erfolgen können, nur hätte er kein höheres Gehalt
beziehen dürfen, als der vom Reichstag zunächst allein bewilligten Stelle
eines Kolonialdirektors entsprach.
Artikel 18.
Der Kaiser ernennt die Reichsbeamten, läßt dieselben für das Reich
vereidigen und verfügt erforderlichen Falles deren Entlassung.
Den zu einem Reichsamte berufenen Beamten eines Bundesstaates
stehen, sofern nicht vor ihrem Eintritt in den Reichsdienst im Wege der
Reichsgesetzgebung etwas anderes bestimmt ist, dem Reiche gegenüber die-
jenigen Rechte zu, welche ihnen in ihrem Heimatslande aus ihrer dienst-
lichen Stellung zugestanden hatten.