I. Bundesgebiet. Art. 1. 31
an die Fremdenpolizei gedacht und nicht an die in das Ressort der Straf-
verfolgung fallende und auf das ganze Bundesgebiet sich erstreckende Aus-
weisung, die durch §§ 39 Ziff. 2, 284, 362 Abs. 3 des Reichs-Strafgesetzbuchs
geregelt ist. Dagegen können die Einzelstaaten gegenüber den Angehörigen
anderer Bundesstaaten ihre Grenzen nicht schließen (Art. 38 R.V.) und die
Freiheit des Güterverkehrs für ihr Gebiet nicht einschränken (Art. 33 R.V.).
Die Territorialhoheit steht also den Einzelstaaten in Ansehung derjenigen
Staatsfunktionen zu, bezüglich deren die Einzelstaaten unbeschränkt geblieben
find. Soweit dies nicht der Fall ist, soweit es sich insbesondere um Staats-
funktionen handelt, bezüglich deren nicht nur die Gesetzgebung, sondern auch
die Verwaltung dem Reich zusteht, ist die Gebietshoheit der Einzelstaaten
gegenstandslos geworden oder, richtiger ausgedrückt, auf das Reich über-
gegangen. Für die dem Reich zustehenden Verwaltungszweige find zum Teil
die Staatsgebiete der Einzelstaaten nicht einmal als Verwaltungsbezirke über-
nommen worden; z. B. sind die Verwaltungsbezirke der Post, die Gerichts-
bezirke der Disziplinarkammern und auch die Bezirke der einzelnen Armee-
korps ohne Rücksicht auf die Grenzen der Einzelstaaten festgestellt; vgl. Laband
I1 S. 172ff. § 21, Zorn 1 S. 99 ff., G. Meyer S. 211 ff., v. Rönne 1 S. 48 ff.,
Arndt S. 68 f., v. Seydel S. 35, v. Jagemann S. 59.
II. Elsaß-Lothringen.
Nach Art. 1 ist das gesamte Gebiet eines jeden Einzelstaats ein Bestand-
teil des Bundesgebiets. Der umgekehrte Satz, daß jeder Teil des Bundes-
gebiets auch dem Staatsgebiet irgendeines Einzelstaats angehöre, ist zwar
zur Zeit der Gründung des Reichs noch richtig gewesen und liegt durchaus
im Sinne des Art. 1. Seit der Erwerbung von Elsaß-Lothringen aber hat
die Regel eine Ausnahme erhalten, da Elsaß-Lothringen ein Bestandteil des
Bundesgebiets geworden ist, ohne dem Gebiet eines der Einzelstaaten ein-
verleibt worden zu sein.
Die Verfügung über das Staatsgebiet von Elsaß-Lothringen ist in
folgenden Rechtsquellen enthalten:
Die zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich zu Versailles am
26. Febr. 1871 abgeschlossenen Friedenspräliminarien R.G. Bl. S. 215 —
an denen in den hier in Betracht kommenden Punkten durch den endgültigen
Frankfurter Friedensvertrag v. 10. Mai 1871 R. G. Bl. S. 223 nichts mehr
geändert wurde — bestimmten im Art. I:
„Frankreich verzichtet zugunsten des Deutschen Reichs auf alle seine
Rechte und Ansprüche auf diejenigen Gebiete, welche östlich von der nach-
stehend verzeichneten Grenze belegen sind.“
Darauf folgt die Beschreibung der Grenze; sodann lautet der Text des
Vertrages:
„Das Deutsche Reich wird diese Gebiete für immer mit vollem Souve-
ränitäts= und Eigentumsrechte besitzen."
Mittels dieses Staatsvertrages war also im Verhältnis zwischen dem
Deutschen Reich und Frankreich festgestellt, daß Elsaß = Lothringen von Frank-
reich auf das Deutsche Reich übergehen sollte. Im Verhältnis zwischen dem
Reich und den Einzelstaaten bestimmte das Reichsgesetz v. 9. Juni 1871,
betr. die Vereinigung von Elsaß und Lothringen mit dem Deutschen Reiche