IV. Präsidium. Art. 18. 385
So ist das Reichsgericht durch das Gerichtsverfassungsgesetz, das Reichs-
Militärgericht durch die Militär-Strafprozeßordnung, das Reichs-Eisenbahn-
amt als richterliches Kollegium durch das Reichsgesetz v. 27. Juni 1873
R.G. Bl. S. 164, das Reichs-Versicherungsamt durch das Unfall. und In-
validenverficherungsgesetz, das Patentamt durch die Patentgesetzgebung, das
Kaiserliche Aufsichtsamt für Privatversicherung durch das Reichsgesetz v.
12. Mai 1901 R.G.Bl. S. 139, das Bundesamt für das Heimatswesen
durch das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz, die Disziplinarbehörden
durch die Disziplinargesetzgebung geschaffen. Bezüglich der Verwaltungs-
behörden aber besteht ein derartiges Erfordernis nicht. Allerdings sind die
bestehenden Behörden zum größten Teile erst ins Leben getreten, nachdem
durch die Gesetzgebung dem Reiche Aufgaben übertragen sind, zu deren
Durchführung die Existenz dieser Behörden erforderlich ist, z. B. Gesandt-
schaften und Konsulate, Bankstellen, Post= und Telegraphenbehörden usw.
Aber die Reichsverwaltung kann durch Anderungen der Geschäftsverteilung
für dieselben Aufgaben neue Behörden bilden, insbesondere kann die Vor-
bereitung der Verwaltungs= und Regierungstätigkeit, deren Spitze der Reichs-
kanzler bildet, anderen Behörden übertragen werden, immer natürlich mit
der Schranke, daß nicht Mehrausgaben entstehen. Es steht z. B. keine gesetz-
liche Vorschrift entgegen, daß etwa ein oberstes Reichsamt wegen zu großen
Umfangs oder weil ihm neue Aufgaben zugewiesen werden, geteilt wird,
wenn man mit den bisherigen Beamtenstellen in Ansehung ihrer Zahl und
ihrer Gehaltsstufen durchkommt, oder daß eine die Gesetzgebung vorbereitende
Tätigkeit (Statistik, Enqueten und dergl.), die bisher innerhalb eines obersten
Reichsamts geleistet wurde, einer besonderen Behörde übertragen wird —
vgl. das Votum des Fürsten Bismarck betr. die Bildung eines Reichsamts
r. Handel und Gewerbe v. 28. August 1880 (v. Poschinger Aktenstücke I
-Die Frage, ob dieses Recht zur ÄAmterorganisation dem Bundes-
0. dem Kaiser zusteht, wird in der Praxis kaum Schwierigkeiten
* Sofern die Behörde schon durch das Reichsgesetz bestimmt ist
e usch deshalb nur um die Ausführung des Reichsgesetzes handelt,
B)a wß Art. 7 Ziff. 2 R.V. in erster Reihe der Bundesrat zuständig,
Hmrigen dürfte die Entscheidung davon abhängen, ob der Kaiser oder
ber (Bundesrat für das fragliche Ressort die höchste Verwaltungsinstanz
bildet; in den meisten Fällen wird danach die Frage zugunsten der die
kaiserliche Exekutivgewalt repräsentierenden Reichsverwaltung zu beantworten
sein; vgl. Laband I S. 344 f., v. Rönne 1 S. 289, Arndt S. 638, Zorn l
S. 290f; Löning Verwaltungsrecht S. 56 und Meyer § 156 A. 9 sprechen
dagegen das Recht zur ÄAmterorganisation grundsätzlich dem Kaiser zu.
Für die Aufhebung von Behörden und einzelnen Amtern gelten ent-
sprechende Regeln wie für die Einsetzung. Soweit das bestehende Reichsrechte
zu seiner Durchführung die Existenz gewisser Behörden voraussetzt, dürfen diese
Behörden nicht einseitig durch die Reichsverwaltung aufgehoben werden, weil
es ein Eingriff in das geltende Recht wäre. Innerhalb dieser Grenzen darf
die Reichsverwaltung bez. der Bundesrat, wenn letzterer für das betreffende
Ressort die höchste Verwaltungsinstanz bildet, Behörden, wie einzelne Amter
aufheben, und hier bildet im Gegensatz zur Neueinrichtung nicht einmal das
Etatsgesetz eine Schranke, da die Reichsverwaltung wie der Bundesrat, d. h.
die Inhaber der Exekutivgewalt, stets berechtigt sind, Ausgaben zu ersparen.
Dambttsch, Deutsche Reichsverfassung. 25