386 IV. Präsidium. Art. 18.
V. Das Verhältnis zu den Einzelstaaten bei der Behördenorganisation.
Ein Bundesstaat, wie ihn das Reich darstellt, läßt für die Behörden-
organisation stets die Möglichkeit offen, daß Staatsaufgaben, die dem
Reich obliegen, im Wege des Auftrags von den Behörden der Einzelstaaten
erledigt werden und umgekehrt. Ursprünglich scheint, wie aus Außerungen
des Fürsten Bismarck (in der Reichstagssitzung v. 26. März 1867 St. B.
398ff.) hervorgeht, daran gedacht worden zu sein, daß die Regierungs-
geschäfte des Reichs im wesentlichen durch die Behörden der Einzelstaaten
erledigt werden würden, doch ist schon in den Motiven zum Entwurf eines
Bundesgesetzes betr. die Verhältnisse der Bundesbeamten (St. B. v. 1870
Nr. 83 S. 317) ausgeführt, daß dieser Standpunkt wegen des zunehmenden
Umfangs der Bundesgeschäfte praktisch undurchführbar sei. Im Laufe der
Zeit ist ein umfangreicher Behördenorganismus für das Reich ausgebildet
worden. Jedoch ist es auch jetzt durch keine Bestimmung des geltenden
Rechts verboten, wenn die Verbündeten Regierungen bei neu hervortretenden
Bedürfnissen es vorziehen, statt neue Behörden für das Reich einzurichten,
die erforderlichen Geschäfte durch Behörden der Einzelstaaten erledigen zu
lassen. Natürlich bedarf es der Mitwirkung des Landtags der Einzelstaaten,
wenn dadurch Ausgaben entstehen und der Etat berührt wird. Die Mit-
wirkung des Reichstags erübrigt sich aber in solchem Falle vollständig. Eine
allgemeine Vorschrift, daß Angelegenheiten des Reichs nur durch die eigenen
Behörden des Reichs erledigt werden können, besteht nicht.
VI. Das Ernennungsrecht des Kaisers.
Die durch das Etatsgesetz bestimmten Stellen besetzt der Kaiser, ohne
für die Auswahl der Personen — sei es im einzelnen Fall, sei es in An-
sehung der allgemeinen Grundsätze — irgendwie an die Zustimmung des
Reichstags gebunden zu sein; vgl. Staatssekretär des Innern Graf Posa-
dowsky-Wehner in der Reichstagssitzung v. 21. März 1899 St. B. 1654.
Soweit dabei für und gegen den Reichsfiskus Rechte und Pflichten
begründet werden, vertritt die Reichsverwaltung den Reichsfiskus ausschließ-
lich, sodaß die auf dem Anstellungsverhältnis begründeten Vermögens-
ansprüche der Beamten nach den insofern allein maßgebenden Vorschriften des
Reichsbeamtengesetzes und des Ges. v. 15. Juli 1909 R.G.Bl. S. 573 F 11
rechtswirksam und klagbar sind, selbst wenn der Reichstag in der Folgezeit die
für die Besoldung der Beamten erforderlichen Ausgaben nicht bewilligen sollte.
Allgemeine Prüfungsvorschriften bestehen für die Reichsbeamten nicht.
Abgesehen von den richterlichen Beamten und den Beamten bei einigen
Spezialbehörden: Diplomatie, Konsulat, Post und Telegraphie hat die
Reichsverwaltung, wie Fürst Bismarck sich in der Sitzung des preuß. Herren-
hauses v. 19. Dez. 1868 St.B. 119 ausdrückte, „volle Freiheit der Bewegung
und das Recht die Befähigung überall da aufzusuchen, wo sie zu finden ist“.
Nicht einmal die Reichsangehörigkeit ist Voraussetzung für die Anstellung
im Reichsdienst. Das Gesetz über den Erwerb und Verlust der Staatsangehörig-
keit bestimmt im § 9, daß Ausländer durch ihre Anstellung im Reichsdienst
die Staatsangehörigkeit in demjenigen Staate erwerben, in welchem fsie ihren
dienstlichen Wohnsitz haben; dabei muß also vorausgesetzt sein, daß Ausländer
in den Reichsdienst berufen werden können; vgl. Laband 1 S. 144.