V. Reichstag. Art. 20. 399
„Wer das Wahlrecht in einem Wahlbezirke ausüben will, muß in dem-
selben, oder im Falle eine Gemeinde in mehrere Wahlbezirke geteilt ist,
in einer derselben zur Zeit der Wahl seinen Wohnsitz haben.
Jeder darf nur an einem Ort wählen.“
Das Wahlgesetz verlangt also nichts weiter für die Wahlberechtigung,
als die deutsche Reichsangehörigkeit, ein Alter von 25 Jahren und einen
Wohnsitz im Deutschen Reiche, ferner natürlich männliches Geschlecht, das
in dem Gesetz nur deshalb nicht ausdrücklich hervorgehoben ist, weil es zur
Zeit des Erlasses des Gesetzes noch für selbstverständlich galt.
Ebenso radikal geregelt ist die Fähigkeit gewählt zu werden. § 4 des
Wahlgesetzes bestimmt:
„Wählbar zum Abgeordneten ist im ganzen Bundesgebiete jeder (Nord--)
Deutsche, welcher das 25. Lebensjahr zurückgelegt und einem zum Bunde
gehörigen Staate seit mindestens einem Jahre angehört hat, sofern er
nicht durch die Bestimmungen in dem § 3 von der Berechtigung zum
Wählen ausgeschlossen ist.“
b) Die direkte Wahl.
Daß die Wahl, wie Art. 20 vorschreibt, direkt ist, bedeutet, daß die
Wähler den Abgeordneten unmittelbar benennen, im Gegensatz z. B. zu dem
in Preußen für das Abgeordnetenhaus eingeführten Wahlsystem, nach welchem
die Wähler nicht den Abgeordneten selbst, sondern nur die Wahlmänner
wählen, während die Wahl des Abgeordneten den Wahlmännern obliegt.
Zur Ausführung bestimmt 8 12 des Wahlgesetzes:
„Die Wahl ist direkt. Sie erfolgt durch absolute Stimmenmehrheit
aller in einem Wahlkreise abgegebenen Stimmen. Stellt bei einer Wahl
eine absolute Stimmenmehrheit sich nicht heraus, so ist nur unter den
zwei Kandidaten zu wählen, welche die meisten Stimmen erhalten haben.
Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los.“
Jc) Die geheime Wahl.
Die Vorschrift der „geheimen Abstimmung“ im Art. 20 bedeutet, daß
Vorkehrungen getroffen werden müssen, die sicherstellen, daß weder bei noch
nach der Wahl erkennbar ist, wie der Wähler gestimmt hat. Da die Wahl
durch Wahlzettel — schriftlich — erfolgt, darf also nicht erkennbar sein,
von wem der abgelieferte Wahlzettel herrührt. In Ausführung dieser Ver-
fassungsbestimmung schreibt das Wahlgesetz vor:
§ 10 „Das Wahlrecht wird in Person durch verdeckte, in eine Wahlurne
niederzulegende Stimmzettel ohne Unterschrift ausgeübt. Die Stimm-
zettel müssen von weißem Papier und dürfen mit keinem äußeren
Kennzeichen versehen sein."
§ 11 „Die Stimmzettel find außerhalb des Wahllokals mit dem Namen
des Kandidaten, welchem der Wähler seine Stimme geben will, hand-
schriftlich oder im Wege der Vervielfältigung zu versehen."“
Hierzu wurden in dem auf Grund des § 15 des Wahlgesetzes vom
Bundesrat erlassenen Wahlreglement v. 28. Mai 1870 B. G. Bl. S. 275
eingehende Ausführungsbestimmungen getroffen. Sie erwiesen sich aber als
unzureichend, weil sich herausstellte, daß während des Wahlaktes und nach-
träglich Beobachtungen möglich waren, die zu einer Feststellung, wie die