Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

I. Bundesgebiet. Art. 1. 33 
daß die Wiedergewinnung des Landes die Frucht von Siegen bildete, die 
von dem ganzen Deutschland errungen waren. 
Bei dieser staatsrechtlichen Ordnung des Gebietszuwachses blieb also, 
da Elsaß--Lothringen kein selbständiger Bundesstaat wurde, der Eingang 
der Reichsverfassung unberührt, und es war nur die Ergänzung des Art. 1 
notwendig, um die Erweiterung des Bundesgebiets zum Ausdruck zu 
bringen. Diese Ergänzung ist durch das Gesetz v. 25. Juni 1873 bewirkt 
worden, dessen § 2 bestimmt: 
„Dem im Art. 1 der Verfassung bezeichneten Bundesgebiete tritt das 
Gebiet des Reichslandes Elsaß-Lothringen hinzu." 
— pvgl. Leoni und Mandel Das öffentliche Recht Elsaß-Lothringens, Frei- 
burg 1892 und 1895, W. Rosenberg Die staatsrechtliche Stellung von 
Elsaß-Lothringen, Metz 1896 und derselbe in Hirth's Annalen 1903 
S. 481 ff., Laband lI S. 197sf f., Meyer S. 472ff. und 204, v. Rönne I 
S. 74 f., Zorn 1 S. 517ff., v. Seydel S. 39 und 128f., Arndt S. 70 
und 744 f. — Von Rosenberg und v. Seydel und in gewissem Grade 
auch von Leoni wird im Gegensatz zu der herrschenden Ansicht der Stand- 
punkt vertreten, daß Elsaß-Lothringen ein selbständiger Staat sei. Gegen- 
über den pofitiven Bestimmungen der Reichsgesetzgebung ist dieser Streit 
nur von geringer praktischer Bedeutung. 
III. Helgoland. 
Laut Staatsvertrag v. 1. Juli 1890 ist die Insel Helgoland dem 
Deutschen Reich von England abgetreten worden. Da Art. 1 R.V. die 
Staatsgebiete der Einzelstaaten in dem Umfange begreift, den sie zur Zeit 
der Gründung des Reichs hatten, so war ein den Art. 1 abänderndes 
Reichsgesetz erforderlich, um die Einverleibung Helgolands in das Staats- 
gebiet von Preußen im Verhältnis zu den anderen Bundesgliedern fest- 
zustellen, und diese Verfassungsänderung ist durch das Reichsgesetz v. 
15. Dez. 1890 § 1 R.G. Bl. S. 207 bestimmt. Die erforderliche Änderung 
der preußischen Verfassungsurkunde ist durch das preußische Gesetz v. 
18. Febr. 1891 Ges. S. S. 11 herbeigeführt worden. Aus der Tatsache, 
daß Helgoland ein Teil des Bundesgebiets wurde, ergab sich im Zweifel 
ohne weiteres, daß auch der übrige Inhalt der Reichsverfassung für das 
neue Gebiet in Kraft trat. Das Ges. v. 15. Dez. 1890 hat aber die 
Geltung des Abschnitts VI R.V. betr. das Zoll= und Handelswesen aus- 
geschlossen; vgl. Art. 33. 
Zur Klarstellung der staatsrechtlichen Lage sei auf das — mit Recht — 
gegensätzliche Verfahren bei der Einverleibung Lauenburgs in das preu- 
ßische Staatsgebiet hingewiesen. Im Art. 1 R.V. ist „Preußen mit 
Lauenburg“ aufgeführt. Dies beruht darauf, daß zur Zeit der Gründung 
des Reichs Lauenburg mit Preußen nur durch Personalunion vereinigt 
war und zwar auf Grund der Gasteiner Konvention v. 14. August 1865. 
Durch das preußische Gesetz v. 23. Juni 1876 Ges. S. S. 169 ist zwischen 
Preußen und Lauenburg eine Realunion geschaffen worden. Ein für die 
anderen Bundesglieder das Recht der Zustimmung wahrendes Reichsgesetz 
ist in diesem Falle nicht erlassen worden. Es bedurfte dieses Gesetzes nicht, 
weil Lauenburg im Art. 1 schon genannt ist, also zur Zeit der Srundung 
Dambitsch, Deutsche Reichsverfassung.
	        
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