V. Reichstag. Art. 20. 411
v. 25. Juni 1873 R.G. Bl. S. 161 und in Helgoland auf Grund des § 4
des Reichsges. v. 15. Dez. 1890 R.G. Bl. S. 207, also im ganzen Gebiete
des Reichs gilt; in den Schutzgebieten gilt es natürlich nicht, diese Terri-
torien sind aber auch nicht Teile des Reichs. Außer den bereits genannten
Bestimmungen enthält das Wahlgesetz Vorschriften über die Abgrenzung der
Wahlbezirke, über die sich daraus ergebende Zahl der Abgeordneten — in-
soweit ergänzt durch § 3 des Ges. v. 25. Juni 1873 R.G.Bl. S. 161, wo-
nach für Elsaß-Lothringen noch 15 Abgeordnete hinzukommen — über die
Aufstellung der Wahllisten, den Wahlakt, die Kosten des Wahlverfahrens
und über die Befugnis der Wahlberechtigten, zum Betrieb der den Reichs-
tag betreffenden Wahlangelegenheiten Vereine zu bilden und in geschlossenen
Räumen unbewaffnet öffentliche Versammlungen zu veranstalten; vgl. auch
§ 23 des Vereinsgesetzes v. 19. April 1908 R.G.Bl. S. 151. Über den
Wahlakt sind vom Bundesrat auf Grund der ihm durch § 15 des Wahl-
gesetzes gegebenen Vollmacht eingehende Ausführungsbestimmungen, das
Wahlreglement, unter d. 28. Mai 1870 B. G. Bl. S. 275 erlassen. Hierzu
sind mehrere Berichtigungen und Ergänzungen ergangen, deren wichtigste
durch die Bekanntmachung des Reichskanzlers v. 28. April 1903 R.G. Bl.
S. 202 mitgeteilt ist; sie betrifft namentlich Vorkehrungen zur Sicherung
des Wahlgeheimnisses.
Wie übereinstimmend angenommen wird, legt Art. 20 im Abs. 2 die Zahl
der Abgeordneten nicht in dem Sinne fest, daß eine Veränderung der Zahl eine
Veränderung der Verfassung bedeuten würde; ebenso Laband 1 S. 293, v. Seydel
S. 195, Arndt S. 117, 121, v. Rönne I S. 242 A. 4. Dies geht daraus her-
vor, daß Art. 20 durch die Worte „bis zu der gesetzlichen Regelung, welche im
Wahlgesetz vorbehalten ist“, auf die Zulässigkeit einer Anderung im Wege
der einfachen Gesetzgebung ausdrücklich hinweist. Die gleiche Klausel ent-
hält für Elsaß--Lothringen § 2 des Reichsges. v. 25. Juni 1873 R.G. Bl.
S. 161. Aus demselben Grunde ist es ausgeschlossen, daß die Bestimmung
über die Zahl der in den einzelnen Bundesstaaten zu wählenden Ab-
geordneten als Sonderrecht im Sinne des Art. 78 Abs. 2 R.V. aufgefaßt
wird, zu dessen Aufhebung die Zustimmung des betreffenden Bundesstaats
erforderlich sein müßte. Der Fall liegt also bezüglich der Mitglieder des
Reichstags nicht so wie in Ansehung der Bundesratsbevollmächtigten; vgl.
Art. 6 VI S. 206 ff. Dagegen würde es, wie Laband 1 S. 293 mit Recht her-
vorhebt, dem verfassungsmäßig verbürgten Grundsatz der Gleichberechtigung
der Bundesstaaten widersprechen, wenn zur Berechnung der Zahl der Ab-
geordneten nicht mehr für alle Bundesstaaten derselbe Maßstab angewendet
werden sollte.
Die Bestimmung des § 5 des Wahlgesetzes, daß in jedem Bundes-
staat auf durchschnittlich 100 000 Seelen derjenigen Bevölkerungszahl, welche
den Wahlen zum verfassunggebenden Reichstage zugrunde gelegen hat, ein
Abgeordneter gewählt wird, kann — worüber der Wortlaut keinen Zweifel
läßt — nur als Motiv für die Festsetzung der Abgeordnetenzahl aufgefaßt
werden, nicht als eine Bestimmung oder selbst nur als ein Versprechen,
daß dieser Maßstab bei steigender Bevölkerungszahl auch in Zukunft
festgehalten werden würde. Völlig klargestellt wir dies übrigens durch den
3. Abs. des § 5, wonach eine Vermehrung der Zahl der Abgeordneten im
Hinblick auf eine steigende Bevölkerungszahl durch das Gesetz erfolgt.