414 V. Reichstag. Art. 21.
ihnen die Teilnahme an den Reichstagssitzungen unmöglich machen könnten.
Dieser Grund trifft aber auf den Zeitraum der Vertagung nicht zu, weil
der Reichstag während der Vertagung nicht tätig ist; etwas anderes wäre
es, wenn Kommissionssitzungen stattfänden, an denen der betreffende Beamte
beteiligt wäre. Die Immunität besteht allerdings während der Vertagung
fort. Dies ist aber nur eine Folge der pofitiven Bestimmung des Art. 31,
welcher die Immunität für die ganze Dauer der Sitzungsperiode vorschreibt.
Gegenüber diesem zweifelsfreien Wortlaut ist es natürlich ausgeschlossen, auf
die sachliche Bedeutung der Vorschrift zurückzugehen, während es im
Art. 21 an einem derartig klaren Wortlaut des Verfassungstextes fehlt.
IV. Der Begriff des Beamten im Sinne des Art. 21 Abs. 1.
Der Begriff des Beamten ist durch die Reichsgesetzgebung nicht fest-
gelegt und auch in der Theorie und Praxis des Landesstaatsrechts bestritten;
vgl. Art. 181 S. 380. Nur der Begriff des Reichsbeamten steht durch
Art. 18 und das Reichsbeamtengesetz fest. Auf welchen Beamtenkreis sich
Art. 21 Abs. 1 bezieht, darüber geben die Materialien der Verfassung keinen
sicheren Aufschluß. Zweifellos ist, daß nicht nur die Reichs-, sondern auch
die unmittelbaren Staatsbeamten unter Art. 21 Abs. 1 fallen; bestritten
ist es dagegen für die mittelbaren Staatsbeamten, nämlich die Kommunal=
beamten, ferner für die Rechtsanwälte, Geistlichen, Lehrer und Privat-
beamten. Man darf die letztere Kategorie ohne weiteres ausscheiden.
Einmal ist der Begriff des Privatbeamten vorläufig der Gesetzgebung noch
unbekannt und ohne gesetzliche Definition völlig unbestimmt; es fehlt ins-
besondere jede Grenze nach unten, und jede besoldete Arbeitskraft als.
Privatbeamten zu bezeichnen, würde nicht einmal dem heutigen, noch
weniger dem vor vierzig Jahren üblich gewesenen Sprachgebrauch entsprechen.
Abgesehen davon ist nicht anzunehmen, daß durch Art. 21 in erworbene
Privatrechte eingegriffen werden sollte, wie es der Fall wäre, wenn den
Dienstberechtigten, die z. Z. des Erlasses der Verfassung bereits einen ver-
tragsmäßigen Anspruch auf die Dienstleistung erworben hatten, dieser
Anspruch durch den Eintritt des Dienstverpflichteten in den Reichstag.
entzogen worden wäre. Dagegen bestehen begründete Zweifel für diejenigen
Personen, die ohne Reichs= oder unmittelbare Staatsbeamte zu sein, ein
öffentliches Amt versehen, also die Kommunalbeamten, und die eine Quafi-
Beamtenstellung bekleidenden Rechtsanwälte, Geistliche und Lehrer an
öffentlichen Schulen. Die Eigenschaft der Gerichtsvollzieher, die v. Seydel
S. 197 ebenfalls als zweifelhafte Kategorie bezeichnet, als unmittelbarer
Staatsbeamter kann mindestens für Preußen seit der Neuregelung des
Gerichtsvollzieherwesens nicht mehr zweifelhaft sein.
Der von Laband ! S. 312 A. 1 als möglich hingestellten Ansicht, daß
man diese Kategorien als ausgeschlossen ansehen könne, um nicht für
Abs. 1 des Art. 21 einen anderen Beamtenbegriff anzunehmen als für
Abs. 2 — dessen Wortlaut allerdings deutlich nur auf die Reichs= und
unmittelbaren Staatsbeamten hinweist — steht entgegen, daß im Abf. 1
ein anderer Wortlaut gewählt ist als im Abs. 2 und daß die Bezeichnung
„Beamte“ bei der Gegenüberstellung mit Personen, die „ein besoldetes
Reichsamt oder in einem Bundesstaat ein besoldetes Staatsamt annehmen