424 V. Reichstag. Art. 23.
Gründen, mit denen Fürst Bismarck in der Sitzung des konst. Reichstags
v. 29. März 1867 St. B. 442 die Bestimmung bekämpft hat. Seinen Aus-
führungen ist die Mehrheit des Reichstags nicht beigetreten, wie durch die
Annahme der Bestimmung kundgegeben wurde, aber fie behalten ihre Be-
deutung als ein Beleg dafür, mit welchen Möglichkeiten bei der Einführung
der Bestimmung gerechnet wurde, welche Fälle also schon von Anfang an
als Konsequenzen des Prinzips der Unverantwortlichkeit anerkannt wurden.
Fürst Bismarck hob insbesondere die Möglichkeit hervor, daß die im Parla-
ment gegen die Ehre von Privatpersonen erhobenen Angriffe von der Presse
unter dem Schutz der Unverantwortlichkeit des Parlamentsberichts verbreitet
werden und dadurch an Gewicht und Gefährlichkeit gewinnen. Man kann
seinen Ausführungen in jedem Punkt zustimmen, wird aber de lege lata
anerkennen müssen, daß, nachdem der von ihm vertretene Standpunkt ab-
gelehnt und die bekämpfte Bestimmung Gesetz geworden ist, damit auch
der Folgezustand eingetreten ist, den Fürst Bismarck als schädliches Er-
gebnis der Bestimmung ohne Erfolg angefochten hat, daß nämlich Be-
leidigungen von Privatpersonen, die in den Reden der Abgeordneten
enthalten sind, mögen sie noch so schwer, noch so unbegründet sein, noch
so weit ab vom Gegenstand der Sache liegen, in einem an sich wahr-
heitstreuen Bericht über die Verhandlung straflos wiedergegeben werden
dürfen.
Ebenso wie die strafrechtliche ist auch die zivilrechtliche und die
disziplinare Verfolgung ausgeschlofssen, wenn letztere sonst in Frage kommen
könnte, weil der Bericht von einem Beamten herrührt; ebenso Laband l
S. 321.
Da es sich nicht um einen sogen. persönlichen Strafausschließungs-
grund handelt, sondern die Tat als solche nicht strafbar ist, wird auch
durch Anstiftung, Teilnahme und Beihilfe keine Verantwortung begründet;
vgl. Olshausen 8 12 A. 2. Aus demselben Grund darf nicht auf die
Unbrauchbarmachung der Druckexemplare sowie der zu ihrer Herstellung
bestimmten Formen und Platten erkannt werden und § 42 St. G. B. findet
keine Anwendung; ebenso Olshausen § 12 A. 7 und Oppenhof § 12 A. 8.
Artikel 23.
Der Reichstag hat das Recht, innerhalb der Kompetenz des Reichs
Gesetze vorzuschlagen und an ihn gerichtete Petitionen dem Bundesrate
resp. Reichskanzler zu überweisen.
Rechte des Reichstags.
A. Die Initiative zur Gesetzgebung.
I. Zur politischen Bedeutung des Rechts.
II. Die sachlichen Schranken für die Initiative des Reichstags.
III. Die Stellung der Verbündeten Regierungen zu den Initiativanträgen des
Reichstags.
B. Die Genehmigung von Vorlagen der Verbündeten Regierungen.
C. Petitionen.
I. Das Petitionsrecht.
II. Die Stellung des Bundesrats und Reichskanzlers zu den Petitionen.