Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

V. Reichstag. Art. 23. 425 
D. Interpellationen. 
I. Ihre politische Bedeutung. 
II. Das Interpellationsrecht des Reichstags. . 
III. Die sachlichen Grenzen des Interpellationsrechts. 
E. Adressen. 
F. Information des Reichstags durch Vorlegung tatsächlichen Materials. 
A. Die Initiative zur Gesetzgebung. 
I. Zur politischen Bedentung des Rechts. 
Der Reichstag ist nicht darauf beschränkt, zu den Vorlagen der Ver- 
bündeten Regierungen Stellung zu nehmen, fie anzunehmen, zu amendieren 
oder abzulehnen, sondern es ist ihm ein weites Feld produktiver Tätigkeit 
auch dadurch eingeräumt, daß er selbst die Initiative zu gesetzgeberischen 
Maßregeln ergreifen darf. Der Reichstag ist seiner Natur nach, als eine 
nur zeitweise versammelte, nicht homogene, sondern selbst in prinzipiellen 
Fragen in sich stark divergierende und mit bureaukratischen Hülfskräften 
nicht ausgestattete Körperschaft zweifellos weniger als die Regierung dazu 
geschaffen, Gesetzentwürfe, die eine eingehende Detailarbeit und umfangreiche 
Enqueten und sonstige Vorarbeiten erfordern, selbst auszuarbeiten, aber er 
kann die Ausarbeitung für diejenigen Gesetzentwürfe leisten, die kurz und 
bedeutungsvoll find, weil ihr wesentlicher Inhalt in der Kundgebung eines 
wichtigen, die Richtschnur für weitere Ausführungsvorschriften liefernden 
politischen Prinzips sich erschöpft, und namentlich kann der Reichstag für 
Gesetzentwürfe jeder Art durch Resolutionen den Verbündeten Regierungen 
und der Reichsverwaltung eine Anregung geben. Die Bedeutung dieser 
Anregung ist nicht darauf beschränkt, daß in solchen Fällen — wenn eine 
auf Mehrheitsbeschluß beruhende Resolution vorliegt — die Verbündeten 
Regierungen schon von Anfang an der Zustimmung des Reichstags für das 
neue Projekt gewiß fsind. Vor allem ist der Reichstag dazu prädestiniert, 
als der machtvollste Vertreter der öffentlichen Meinung und als dasjenige 
Organ des öffentlichen Lebens anerkannt zu werden, dessen Fühlung mit 
den Kreisen der Bevölkerung die intimste ist, und deshalb haben diejenigen 
Initiativanträge, hinter denen nicht nur eine einseitige Parteianschauung 
steht, ein politisches Gewicht, mit dem sich keine andere, von öffentlichen 
oder privaten Organen ausgehende Bewegung messen kann. Denn mindestens 
darf erwartet werden, daß die den augenblicklichen Zeitgeist beherrschenden 
Erwägungen in einer solchen, von der großen Mehrheit getragenen Initiativ- 
bewegung des Reichstags zum Ausdruck kommen. Ob dasselbe auch von 
den retardierenden Momenten gilt, die sich aus den Rückfichten auf zu- 
künftige Möglichkeiten ergeben, dies zu überlegen ist Sache der verant- 
wortlichen Staatsmänner der Regierung. In vielen Fällen haben diese 
Überlegungen zu einem verneinenden Ergebnis geführt, in vielen Fällen ist 
es aber nicht der Fall gewesen, und nicht wenige Gesetze sind aus Initiativ- 
anträgen des Reichstags hervorgegangen. 
II. Die sachlichen Schranken für die Initiative des Reichstags. 
Das Vorschlagsrecht des Reichstags für Gesetze ist nach Art. 23 auf 
die Kompetenz des Reichs beschränkt. Es ist in der staatsrechtlichen
	        
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