V. Reichstag. Art. 23. 431
schaften, die mit der Petition angerufen werden sollen, zu begrenzen. Ins-
besondere ist in dem Recht des Reichstags Petitionen entgegenzunehmen,
das Recht der Reichsangehörigen Petitionen an den Reichstag zu richten,
nicht eingeschlossen. Art. 23 hat sein Vorbild für die auf die Petitionen
sich beziehenden Bestimmung in dem Art. 81 Abs. 3 Satz 1 der preuß.
Verf. Urk., wonach jede Kammer die an sie gerichteten Schriften an die
Minister überweisen kann. Mürde hierin schon das Petitionsrecht der
Untertanen inbegriffen sein, so wäre Art. 32 überflüssig, dessen Satz 1
bestimmt: „Das Petitionsrecht steht allen Preußen zu“. Art. 32 gehört
zu dem „von den Rechten der Preußen“ überschriebenen Titel II der
Verf.Urk. Bei den Beratungen über den Entwurf der Reichsverfassung ist
im konst. Reichstag viel darüber verhandelt worden, ob ein diesem Titel II
ungefähr entsprechender Abschnitt über die sogen. Grundrechte der Deutschen
in die Verfassung eingestellt werden sollte. Man hat sich schließlich ent-
schlossen, dies entsprechend den Vorschlägen der Verbündeten Regierungen
zu unterlassen. Die in dieses Gebiet gehörenden Rechtsverhältnisse müssen
daher nach dem Landesstaatsrecht beurteilt werden, und die Bestimmung
des Art. 23, die sich in Ansehung der Petitionen in dem Rechtssatz erschöpft,
daß der Reichstag die Befugnis hat, die an ihn gerichteten Petitionen dem
Bundesrat oder Reichskanzler zu überweisen, ist ebenfalls aus dem Landes-
staatsrecht zu ergänzen; ebenso das preuß. Oberverwaltungsgericht (Entsch.
v. 10. März 1886 Bd. 13 S. 98). Während also Art. 23 nur die Behand-
lung der Petitionen im Reichstag regelt, ist die Frage, ob eine Petition
überhaupt an den Reichstag gelangen darf, preußischen Staatsangehörigen
gegenüber nach Art. 32 der preuß. Verf. Urk. zu beurteilen. Dort ist
bestimmt, daß das Petitionsrecht allen Preußen zusteht, daß Petitionen
unter einem Gesamtnamen aber nur Behörden und Korporationen gestattet
sind. Aus der letzteren Vorschrift ist gefolgert worden, daß Behörden und
Korporationen das Petitionsrecht nur im Rahmen ihrer Interessensphäre
zusteht. Die preußische Staatsregierung hat dies angenommen — Zirkular-
reskript v. 6. Juni 1863 Min. Bl. f. d. ges. in. Verw. S. 118 — und daraus
den Schluß gezogen, daß Gemeindevertretungen nicht das Recht zusteht, in
allgemeinen Staatsverfassungsangelegenheiten zu petitionieren. Das preuß.
Abgeordnetenhaus hat sich i. J. 1860 St. B. 898 im gleichen, am 10. März
1865 St. B. 408 im entgegengesetzten Sinne ausgesprochen; vgl. auch Arndt,
Verf. Urk. Art. 32 A. 2. Das Oberverwaltungsgericht (Entsch. v. 10. 3. 1886
Bd. 13 S. 98) hat sich der Ansicht der Staatsregierung angeschlossen und
entschieden, daß die Auffichtsbehörde der Gemeindevertretung die Beratung
und Absendung der Petition verbieten darf, wenn die Petition nicht auf
kommunale Interessen gestützt ist, z. B. können danach Gemeindevertretungen
in Zollangelegenheiten nur petitionieren, wenn fie nach den Verhältnissen
ihrer Stadt ein besonderes kommunales Interesse zu verteidigen haben.
Die Frage, ob auch Ausländer an den Reichstag Petitionen richten dürfen,
ist aus Anlaß einer Petition, die eine österreichische Stadt in Schiffahrts-
angelegenheiten an den Reichstag gerichtet hatte, von der Petitionskommission
des Reichstags bejaht worden, mit der Begründung, daß der Reichstag
als ein Organ zum Schutze der Rechte des Deutschen Volkes nicht ver-
pflichtet, aber berechtigt sei, sich mit den bei ihm eingehenden Beschwerden
und Petitionen fremder Staatsangehörigen zu befassen — Bericht v. 23. Mai